Eiskalt Wie Die Suende

paar Stunden den Schulunterricht besuchen. Er war bereits am Priesterseminar in Maynooth aufgenommen worden, doch dann kam der Aufstand von ’48 dazwischen. Und nach dem musste er ja flüchten und Irland verlassen. Zu dem Zeitpunkt stand er der Kirche bereits etwas skeptisch gegenüber, da die meisten Geistlichen sich entschieden gegen die Young-Ireland-Bewegung ausgesprochen hatten, doch noch immer besuchte er regelmäßig den Gottesdienst – bis wir dann vor vier Jahren unseren kleinen Patrick verloren. Erinnern Sie sich noch an den alten Priester, der vor Pater Gorman an St. Stephen war?“
    â€žPater Keegan?“
    â€žGenau der. Er sagte zu Colin, dass Patrick nicht in geweihter Erde begraben werden könne, da er ohne den Segen der Taufe gestorben und daher nicht im Himmel sei, sondern in der Vorhölle. Colin war … nun, er war außer sich. Außer sich vor Wut, um ganz genau zu sein. Das war der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte – dass dieser katholische Geistliche sich anmaßte zu behaupten, ein unschuldiges Baby könne bereits vor der Geburt vom Makel der Sünde befleckt worden sein. Colin erwiderte Pater Keegan, dass sein Patrick bei den Engeln sei, ganz gleich, was die Kirche sage, und dass das Gesetz der Kirche nicht Gottes Gesetz wäre, und dass er fortan mit mir gemeinsam den Gottesdienst in der Emmanuel Church besuchen werde.“
    â€žEmmanuel?“, fragte Nell ungläubig. „Sie sind Protestantin?“ Der Gedanke wäre ihr nie gekommen, waren doch fast alle Iren, die sie in Boston kannte, katholisch.
    Chloe nickte. „Pater Keegan hatte es schon sehr widerstrebt, uns damals vermählen zu müssen, doch nach reiflicher Überlegung tat er es dann – unter der Bedingung, dass unsere Kinder katholisch getauft würden und dass Colin sich nach allen Kräften bemühe, mich zur Konversion zu bewegen, was er natürlich nicht getan hat. Nicht einmal versucht hat er es. Ich bin im anglikanischen Glauben aufgewachsen, und Colin respektierte das. Allerdings beabsichtigten wir durchaus, unsere Kinder zu guten Katholiken zu machen, bis dann … ja, bis Patrick. Colin sagte zu Pater Keegan, dass er nicht im Traum daran denke, seine Kinder im Glauben einer Kirche zu erziehen, die so grausam zu ihrem eigenen Bruder gewesen sei. Ich war nicht dabei, aber er erzählte mir hinterher, dass er einige Dinge zu Pater Keegan gesagt hätte, die er nicht einmal mir gegenüber wiederholen wolle. Wenn ihn etwas wirklich aufbringt, kann Colin sich schon mal vergessen.“
    â€žIch kann mich nicht erinnern, ihn schon einmal so erlebt zu haben“, meinte Nell.
    â€žNun, ich auch nicht – zumindest war sein Zorn noch nie gegen mich gerichtet, wohl aber gegen andere.“ Chloe lächelte ein wenig spöttisch. „Wenn von dem berüchtigten irischen Temperament die Rede ist, dürfte Colin wohl das beste Beispiel dafür sein. Sein Auftritt muss zumindest recht beeindruckend gewesen sein, denn Pater Keegan ließ ihn prompt exkommunizieren.“
    Fassungslos sah Nell sie an. „Man hat ihn exkommuniziert ?“
    â€žAngeblich, weil er Auffassungen vertrete, die mit dem katholischen Glauben unvereinbar seien, tatsächlich aber wohl eher, weil er sich Pater Keegan zum Feind gemacht hatte.“
    â€žDas muss doch sehr erschütternd für ihn gewesen sein, oder? Ich meine, immerhin hatte er ja mal Priester werden wollen, und dann auf diese Weise von der Kirche ausgeschlossen zu werden …“
    â€žAch, wissen Sie, das hat ihn damals vergleichsweise wenig bekümmert. Er meinte, tief im Herzen wisse er, dass Gott ihn liebe. Und dass es nicht Gott sei, der ihn verstoßen hätte, sondern Männer der Kirche, die sich das Recht anmaßten, in seinem Namen zu sprechen, ihm aber nicht gerecht würden.“
    Während sie Chloe noch immer ganz sprachlos anschaute, entging Nell doch nicht, wie Will sie verstohlen von der Seite ansah. Sie wusste, dass auch er in diesem Moment an das dachte, was er letzten Herbst zu ihr gesagt hatte – dass, sollte sie jemals wieder heiraten und von der Kirche exkommuniziert werden, es die Kirche sei, die sie ausschließe, nicht aber Gott. Gott würde sich niemals von dir abwenden, das weißt du.
    â€žVerstehen Sie mich bitte nicht falsch“, fuhr Chloe fort. „Colin hat seinen Glauben keineswegs aufgegeben, er ist ein guter