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Eiskalt Wie Die Suende

Eiskalt Wie Die Suende

Titel: Eiskalt Wie Die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
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Shute und zündete seine Zigarre an. „Zunächst einmal wären wir beide um ein Haar Priester geworden.“ Lässig wedelte er das Streichholz aus und warf es in den marmornen Aschenbecher, der auf seinem Schreibtisch stand.
    Ungläubig sah Nell ihn an. „Sie …?“
    Shute grinste. „Ich weiß. Die meisten Leute sind geradezu schockiert, wenn Sie erfahren, dass ich katholisch bin. Wahrscheinlich wegen meines Namens – Ebenezer. Eigentlich sind es ja eher die Protestanten, die ihren Kindern Namen aus dem Alten Testament geben, aber ich wurde weniger nach der Bibel als nach einem Freund der Familie benannt, der eben zufällig so hieß. Oder sollte es deswegen so schockierend sein, weil ich kein Ire bin und zudem eine gut bezahlte Arbeit habe? Oder weil mein Rock so distinguiert geschnitten ist? Wer weiß, warum es so verwunderlich erscheint.“
    â€žDürfte ich Sie fragen, warum Sie dann doch nicht Priester geworden sind?“
    Shute zog an seiner Zigarre und blies einen Rauchstrahl aus dem Fenster. „Mein Temperament stand der geistlichen Berufung entgegen. Ich war im Jesuitenseminar und hatte mein Studium am Woodstock College in Maryland schon fast zur Hälfte absolviert, als mir plötzlich aufging, dass ich kurz davor war, einen verhängnisvollen Fehler zu begehen. Dieses Leben, all die Entbehrungen …“ Er schüttelte noch immer ungläubig den Kopf.
    â€žWeshalb hatten Sie es denn überhaupt erwogen?“, wollte Will wissen.
    â€žGute Frage“, meinte Shute und lachte leise. „Wenn ich mich das nur damals schon gefragt hätte. Die Sache ist die, dass einer meiner älteren Brüder – Nicholas, den ich sehr bewunderte – Priester geworden war. Er hat dann die Lehrerlaufbahn eingeschlagen und ist jetzt Rektor der Georgetown Preparatory School in Bethesda. Nick war der Einzige in meiner Familie, mit dem ich mich wirklich gut verstand, der Einzige, mit dem ich reden konnte, zu dem ich überhaupt irgendeine Beziehung hatte. Und wenn die Kirche seine Bestimmung war, so wäre es wohl auch die meine. Zumindest dachte ich das damals. Zu kurz gedacht, doch junge Männer neigen ja dazu, recht schlicht denkende Geschöpfe zu sein.“
    â€žSie haben das Woodstock College also wieder verlassen?“, fragte Will.
    Shute nickte und rauchte versonnen. „Ich habe dann in Harvard Jura studiert und mich dabei in Boston verliebt. Dennoch kehrte ich nach dem Abschluss wieder nach Hause zurück. Nun ja, genau genommen nicht nach Hause, aber in die Nähe. Ich fand eine Anstellung bei einer Kanzlei in Washington D.C.“
    â€žUnd wann haben Sie sich zur Armee gemeldet?“, fragte Nell ihn. Kaum dass ihr die Worte über die Lippen waren, fiel ihr ein, dass Shute ihnen noch gar nicht erzählt hatte, dass er während des Krieges bei der Armee gewesen war. Sie wussten es nur von Chloe. Aber lag die Frage denn nicht nahe angesichts seines Glasauges und des Holzbeines? Nell war gespannt, wie er darauf reagieren würde.
    Er lächelte – eines dieser stillen, bedeutungsvollen Lächeln, die mehr als alle Worte sagen. „Ich meldete mich gleich zu Beginn des Krieges. Meine Eltern waren außer sich, ebenso wie die meisten meiner Geschwister. Sie waren selbst Sklavenhalter und unterstützten die Sezessionsbewegung in Maryland. Dass ich nun für die Unionsarmee kämpfen wollte, empfanden sie als einen Schlag ins Gesicht. Als ich dann nicht lange darauf einiger Körperteile beraubt nach Hause zurückkehrte, waren sie sich einig, dass es meine gerechte Strafe dafür wäre, mich gegen sie gestellt zu haben. Also ging ich wieder nach Boston. Dort hatte ich noch Freunde aus Studienzeiten. Ein paar von ihnen hatten mittlerweile gute Posten in der Stadtverwaltung. Und so kam auch ich zu meiner Tätigkeit.“
    â€žMögen Sie Ihre Arbeit?“, fragte Will.
    â€žEs gefällt mir, die Pfandleiher zu besuchen und mich in ihren Läden umzusehen“, erwiderte Shute, „aber der Rest kann bisweilen schon etwas eintönig werden. Manchmal renne ich mir an bürokratischen Hürden den Kopf ein und frage mich, warum ich mir eigentlich die Mühe mache, dagegen anzugehen. Aber diese Arbeit muss zum Wohle der Stadt getan werden, und weil ich sie gut mache, ist es letztlich doch eine recht befriedigende Tätigkeit. Das kann längst nicht jeder von seinem Beruf

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