Eiskalt Wie Die Suende
auch an, ihren Mitgliedern âSpendenâ für die gute Sache abzupressen. Wenn man sie gut bezahlte, gewährten sie einem Schutz. Wenn nicht, dann waren sie es, vor denen man beschützt werden musste.â
âUnd für die hat Cook gearbeitet?â, fragte Will leicht ungläubig.
âEr meinte, als er Mitte der Fünfziger zu ihnen gestoÃen sei, wären sie noch nicht so korrupt gewesen â zumindest nicht so sehr, dass er sich daran gestört hätte. Zunächst, wohlgemerkt. OâDonagh rekrutierte ihn als seinen Leutnant, was in der Hierarchie der Bruderschaft seinem Stellvertreter gleichkam. Colin war aber nur wenige Jahre dabei. Als der Krieg ausbrach, arbeitete er bereits für die Polizei.â
âHat er Ihnen jemals erzählt, warum er die Söhne Irlands verlassen hat?â, fragte Will.
âNicht ausführlich. Er meinte nur, es wäre nicht leicht gewesen, aber ich weiÃ, dass ihn anwiderte, welch unrühmliche Richtung sie eingeschlagen hatten â die zunehmende Gewalt, das Schutzgeld.â
âIch könnte mir vorstellen, dass Cook nun, da er bei seinen Ermittlungen so viel Zeit im North End verbringt, OâDonagh regelmäÃig über den Weg laufen dürfteâ, sagte Will. âDort haben die Söhne doch nach wie vor ihr Hauptquartier, oder?â
Shute nickte. âRichmond Street, Ecke Salem, im Hinterzimmer eines Pubs, das sich The Blue Fiddle nennt und einem der Söhne gehört. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Colin versucht, Begegnungen mit OâDonagh weitestgehend zu vermeiden.â
âTrotzdem eine ganz schön heikle Situation für Cookâ, bemerkte Will, âausgerechnet in dem Viertel für Recht und Ordnung sorgen zu müssen, in dem sein einstiger Freund, sein Landsmann und Waffenbruder, so lukrativ damit beschäftigt ist, das Gesetz zu brechen.â
âOâDonagh ist ein kluger Mannâ, sagte Shute. âLetztlich mag er für das Treiben seiner Leute verantwortlich sein, doch er hat gelernt, dass es besser ist, sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen â oder es zumindest so aussehen zu lassen. Colin meinte mal, dass es nahezu unmöglich sei, OâDonagh mit irgendeinem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Als State Constable gehört es jetzt zwar zu Colins Aufgaben, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, aber OâDonagh ist ziemlich gewieft und ihm bislang immer durch die Lappen gegangen. In gewisser Weise ist Colin darüber sogar froh. Ihm behagt der Gedanke nicht sonderlich, einen alten Freund verhaften zu müssen. Andererseits ist er ein rechtschaffener Mensch, jemand, der seine Arbeit ernst nimmt und seine Pflicht erfüllt. Weshalb ich auch nicht glauben kann, dass er jemanden ermordet haben soll. Wie kommt es denn, dass man ihn überhaupt verdächtigt?â
Will zuckte die Achseln. âWir werden hoffentlich schlauer sein, nachdem wir uns heute Abend in Nabbyâs Inferno â¦â
âNabbyâs?â Shute blickte jäh auf.
âDort hat sich der Mord ereignetâ, sagte Nell. âKennen Sie es?â
âDer Laden ist berüchtigt. Und natürlich kenne ich mich in der Ecke ganz gut aus. In der North Street befinden sich ein halbes Dutzend Pfandhäuser, die ich regelmäÃig unter die Lupe nehme.â
âWaren Sie schon mal drin?â, fragte Will.
âNicht gerade mein Geschmack.â
Da dies Wills Frage nicht unbedingt beantwortete, hakte Nell noch einmal nach: âHaben Sie Detective Cook denn nie dort getroffen, als Sie selbst in der Gegend zu tun hatten?â
âTja â¦â Shute lächelte verlegen. âJetzt wo Sie es sagen â wir sind uns kürzlich tatsächlich in der North Street über den Weg gelaufen. Letzten Montag müsste das gewesen sein. Er wollte gerade ins Nabbyâs, also bin ich mitgegangen.â
âUnd welchen Eindruck hatten Sie?â, wollte Nell wissen.
âEine Schlangengrube. Ãberrascht mich nicht sonderlich, dass es dort einen Mord gegeben hat.â
âDas Opfer war ein Bursche namens Johnny Cassidy, der im Nabbyâs wohntâ, meinte Will. âMan hat ihn in den Kopf geschossen. Miss Sweeney und ich kommen gerade aus der Leichenhalle des Massachusetts General, wo wir den Toten in Augenschein genommen haben. Aus den Pulverspuren im Gesicht lieà sich schlieÃen, dass er aus nur geringer
Weitere Kostenlose Bücher