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Eiskalt Wie Die Suende

Eiskalt Wie Die Suende

Titel: Eiskalt Wie Die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
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langen schmalen Raumes, der sehr gemütlich wirkte und von einigen Hängelampen über der Bar mit warmem Licht erhellt wurde. Nell sog den ihr aus alter Zeit vertrauten Geruch von Tabak, gebratenem Speck und Leinöl in sich auf.
    Hinter der Bar tat sich eine karge Diele auf, an deren Ende sich eine geschlossene Tür befand. Neben der Tür saß ein stämmiger blonder Bursche, der Zeitung las und auf einem kleinen Tisch neben sich eine Tasse Kaffee stehen hatte. Ein Wikinger, der in der großen, fremden Stadt gestrandet ist, dachte Nell ein wenig belustigt. Als sie näher kamen, stand er auf, wobei sein Kopf fast an die Decke stieß, und unterzog Nell und Will dem routiniert prüfenden Blick eines Polizisten – oder eines Leibwächters. Am Kragen seines Rocks hatte er ein kleines goldenes, grün emailliertes Abzeichen, auf dem ein Kleeblatt zu sehen war, über dem zwei Schwerter sich kreuzten, darunter ein schmales Band, auf dem F.O.S.E. stand, Fraternal Order of the Sons of Eire. An der Seite wölbte sich sein Rock aus derbem Wollstoff verräterisch nach außen – Nell vermutete gewiss ganz richtig, dass er dort sein Pistolenhalfter samt Waffe trug.
    â€žDas sind die beiden, Cormac“, teilte der Barkeeper ihm mit und verschwand dann wieder.
    â€žNa, dann ziehen Sie mal Ihren Rock aus“, sagte Cormac zu Will. Sein irischer Akzent war gar noch stärker als der des jungen Barkeepers.
    Die Aufforderung überraschte Nell, ja brüskierte sie fast, aber Will kam ihr mit einer solchen Selbstverständlichkeit nach, als hätte er damit gerechnet. Er nahm seinen Hut ab, zeigte Cormac, dass sich nichts darin befand, legte ihn auf dem Tisch ab, entledigte sich seines Rocks und reichte ihn O’Donaghs Leibwächter zur Begutachtung. Ohne nun noch extra dazu aufgefordert werden zu müssen, drehte er sich um, um zu zeigen, dass sich auch an seiner Kehrseite keine Waffen verbargen, stellte nacheinander die Füße auf den Stuhl und lüftete seine Hosenbeine. Cormac klopfte ihn von oben bis unten ab, gab ihm seinen Rock zurück und wandte sich Nell zu.
    â€žEr wird dein Retikül durchsuchen wollen“, meinte Will und deutete auf ihre Gürteltasche, „und was du sonst noch an Taschen bei dir trägst.“ Zu dem Leibwächter sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Und mehr bekommen Sie auch nicht zu sehen.“
    Cormac schaute Will eine Sekunde prüfend in die Augen, maß ihn mit dem Blick eines Mannes, der versucht, die Kraft seines Gegners abzuschätzen. Will hielt seinem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand, das Kinn wieder auf jene kämpferische Weise gereckt, die Arme – welche überraschenderweise viel länger waren als die des großen und stämmigen Cormac und eine unvermutete Schlagkraft hatten – einsatzbereit gespannt an den Seiten.
    Der Leibwächter nickte kurz und griff nach Nells kleinem bestickten Retikül, das sie stets an ihrem Gürtel bei sich trug, und kramte eine Weile darin herum, bevor er es ihr zurückgab. In ihrem weit ausladenden Rock verbarg sich noch eine weitere Tasche, deren Beutel Nell nun nach außen kehrte, um zu zeigen, dass sie leer war.
    â€žDie Tür hier bleibt offen“, ließ Cormac sie wissen, als er leise anklopfte. „Ihre Besucher, Sir.“
    â€žBring sie rein“, antwortete eine tiefe Stimme mit einem weichen irischen Unterton.
    O’Donaghs Leibwächter führte sie in einen dunklen, sehr männlich wirkenden Raum mit viel Leder und Mahagoni, der Nell an August Hewitts private Bibliothek im ersten Stock der Tremont Street erinnerte. An den Wänden reihten sich Bücherregale, auch der unverzichtbare Globus fehlte nicht, und an der hinteren Wand stand vor einem Fenster mit Damastvorhängen ein matt schimmernder, polierter Kontortisch. Der Stuhl davor war indes leer. Der Mann, dem ihr Besuch galt, saß stattdessen – gut gekleidet, bis auf die Serviette, die er sich in den Kragen gesteckt hatte – an einem Tisch mit Marmorplatte, auf dem noch die Reste seines Frühstücks standen: Eier, gebratener Speck, Scones, Erdbeermarmelade und Tee. Wie Colin Cook hatte er einen wuchtigen Schädel, und sein dunkles, grau meliertes Haar war ordentlich pomadisiert und glatt zurückgekämmt.
    Sowie er Nell erblickte, erhob O’Donagh sich von seinem Stuhl, legte die Serviette beiseite und neigte seinen

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