Eiskalt Wie Die Suende
diese Frage wohl wissen. Ja, Miss Sweeney, sie waren im GroÃen und Ganzen legal â bettelnde Kinder von der StraÃe bekommen, den Männern Jobs auf der Werft besorgen, den Frauen Anstellungen als Hausmädchen und armen Witwen etwas zu essen. Dass er sich am Rande des Gesetzes bewegte, kam höchstens mal vor, wenn er einem uneinsichtigen Arbeitgeber oder Vermieter ein bisschen Dampf unter dem Hintern machte.â
âMöchten Sie uns dann vielleicht erzählen, warum er die Bruderschaft verlassen hat und zur Polizei gegangen ist?â, fragte sie weiter. Ich weiÃ, dass ihn anwiderte, welch unrühmliche Richtung sie eingeschlagen hatten, hatte Shute gesagt, die zunehmende Gewalt, das Schutzgeld.
âWenn Sie mich fragen, so hatte das allein mit Chloe zu tun.â
âSeiner Frau?â, fragte Will.
âDamals war sie noch nicht seine Frauâ, sagte OâDonagh. âDa war sie noch die Frau von Daniel Duffy.â
Nell und Will sahen sich an. âDaniel Duffy?â, fragte Nell.
âDanny war auch in der Bruderschaft, eines der Gründungsmitglieder, die zu meinem inneren Zirkel gehörten â meinem âKabinettâ, wenn Sie so wollen. Messerscharfer Verstand und ein im Grunde herzensguter Kerl â wenn er nüchtern war. Leider hatte er eine recht innige Beziehung zum Alkohol, und der veränderte ihn sehr, lieà ihn unberechenbar werden.â
âGewalttätig?â, fragte Will.
âSehr gewalttätig.â OâDonagh schüttelte den Kopf. âNa ja, lange Rede, kurzer Sinn: Eines Abends schaute Colin wegen einer Angelegenheit der Bruderschaft bei Danny zu Hause vorbei und traf ihn gerade dabei an, wie er Chloe verprügelte. Er wusste, dass es keineswegs das erste Mal war â wir alle hatten die Spuren seiner Gewalt an ihr gesehen â, aber an jenem Abend ist Danny völlig ausgerastet. Ich habe sie danach gesehen und ⦠nun, es grenzt an ein Wunder, dass sie überlebt hat, mehr will ich dazu nicht sagen. Wahrscheinlich wäre es anders gekommen, wenn Colin Danny nicht kurzerhand eine Kugel in die Brust gejagt hätte.â
âEr hat ihn umgebracht?â, fragte Will ungläubig.
âAngeschossen, nicht umgebracht. Er hat das Herz knapp verfehlt. Colin meinte, er hätte nicht gewusst, wie er ihn sonst zur Besinnung hätte bringen können. Sobald Danny so weit genesen war, dass er reisen konnte, verfrachteten wir ihn auf einen Dampfer Richtung Westküste. Daraufhin konnte Chloe die Scheidung einreichen, da ihr Mann sie ja offensichtlich verlassen hatte. Das Ganze war ein juristischer Albtraum, zog sich über Jahre hin und kostete sie alles, was sie besaÃ, aber â¦â
âJahre?â, fragte Nell entsetzt.
Will horchte auf und drehte sich zu ihr um.
âAber ja dochâ, sagte OâDonagh. âScheidungen sind in diesem Land nicht so einfach zu haben â ein Thema, mit dem ich bestens vertraut bin. Im Laufe der Jahre wurde ich öfter mal gebeten, meine ⦠Kontakte zu bestimmten Richtern spielen zu lassen, wenn eine Irin in dieser Stadt sich von ihrem Mann trennen wollte, der sie und die Kinder prügelte â oder, wie in einem Fall, seine Frau längst für eine andere verlassen hatte.â
âWaren diese irischen Frauen denn allesamt katholisch?â, wollte Nell wissen.
âIhnen war schon bewusst, dass sie danach nie wieder kirchlich heiraten könntenâ, sagte OâDonagh, âund dass sie fortan mit dem Stigma der Scheidung würden leben müssen, aber wenigstens hatten sie nun das Gesetz auf ihrer Seite und ganz offiziell das Recht, sich diese Bastarde vom Leib â¦â Er warf Nell einen zerknirschten Blick zu. âEntschuldigen Sie.â
âKeine Ursache.â
âSie hatten nun wenigstens das Recht, ihren einstigen Ehemännern das Haus zu verbieten. Aber es ist ein langer, zäher und meist auch qualvoller Prozess, vor einem Gericht in Massachusetts einen Scheidungsantrag durchzubringen. Zumindest, wenn man nicht gerade Lowell oder Abbot heiÃt und über viel Geld und Einfluss verfügt. Ansonsten ist es selbst dann ein schwieriges Unterfangen, wenn die Scheidung einvernehmlich ist, aber wenn dem nicht so ist, oder wenn eine der beiden beteiligten Parteien, insbesondere der Mann, gar nicht anwesend ist, um zu dem Antrag Stellung zu nehmen, ist es nahezu unmöglich. Nur eine jener Frauen, denen ich zu
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