Eiskalt Wie Die Suende
Kopf mit einem Lächeln. Angesichts der Prozedur, die sie eben über sich hatten ergehen lassen müssen, um Zugang zu seinem Refugium zu erhalten, überraschte Nell es sehr, wie freundlich er dabei wirkte. Sogleich fiel ihr die wahrlich imposante, bullige Statur des Mannes auf â wenngleich er nicht eigentlich korpulent war, dürfte er doch noch einmal um etliche Pfunde schwerer sein als Will. Er war grobknochig, und seine breiten Schultern spannten sich unter einem vorzüglich geschneiderten Rock, an dessen Kragen sich wie schon bei dem Leibwächter ein kleines, grün und goldenes Abzeichen der F.O.S.E. befand.
âMiss Sweeney, nicht wahr?â, sagte OâDonagh und wischte sich die Hände an der Serviette ab, bevor er Nell und Will bedeutete, sich zu ihm an den Tisch zu setzen. âSie sind nicht zufällig mit Terence Sweeney aus der Oliver Street verwandt?â
âNicht dass ich wüssteâ, erwiderte Nell, während sie auf dem Stuhl Platz nahm, den Will ihr zurechtrückte. âUrsprünglich komme ich vom Cape Cod.â
âAber da sind Sie bestimmt nicht geborenâ, mutmaÃte OâDonagh, als er sich wieder setzte und seine RockschöÃe glatt strich.
Sie schüttelte den Kopf. âGeboren bin ich in Falcarragh in County Donegal. Aber dort habe ich nur ein Jahr gelebt, bevor â¦â
âAha!â, rief er und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass Geschirr und Silberbesteck nur so klirrten. âWusste ich es doch. Ich merke es immer gleich, wenn eine Blume ihre Wurzeln in der alten Heimat hat. Da ist dieses betörende Funkeln in den Augen, diese rosige Morgenröte auf den Wangen ⦠Wo auf Cape Cod?â
âÃhm ⦠Falmouth â meistens zumindest.â
âFalmouth, Falmouth ⦠Da gibt es doch einen Burschen namens â¦â Er lieà seinen Blick durch das Zimmer schweifen und trommelte mit seinen Riesenfingern auf den Tisch. â Duncan. Duncan Sweeney. Einer meiner Geschäftspartner hat ihn vor einer Weile im Staatsgefängnis in Charlestown kennengelernt. Er kommt auch aus Falmouth. Sind Sie denn vielleicht mit ihm verwandt?â
Fassungslos schaute Nell OâDonagh an, der so rasch die Verbindung zu ihrem schon seit vielen Jahren von ihr getrennt lebenden Ehemann hergestellt hatte â einem Ehemann, der zugleich ihr bestgehütetes Geheimnis war. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
Glücklicherweise kam Will ihr zur Hilfe. âMiss Sweeney war noch recht jung, als sie Falmouth verlassen hat.â
Nun wandte OâDonagh sich Will zu und bedachte ihn mit einem kühlen, abschätzenden Lächeln. âDoktor â¦â Er schob sich seine Brille auf die Nase, nahm Wills Karte zur Hand, die vor ihm auf dem Tisch lag, las sie und setzte die Brille wieder ab. âHewitt. Von den Hewitts, nehme ich mal an.â
âGanz genau.â
Der bullige Mann lehnte sich schwer in seinen Stuhl zurück und lieà seinen Blick auf ihnen ruhen. Sein Lächeln war starr, und er überlegte sich zweifellos, welcher Art die Beziehung zwischen der in Irland geborenen Miss Sweeney und dem Spross einer der ältesten und besten Familien Bostons wohl sein mochte.
âIch arbeite als Gouvernante für die Hewittsâ, klärte Nell ihn auf. âDr. Hewitt und ich beschäftigen uns derzeit mit einem Fall, in den ein Mann verwickelt ist, der unseres Wissens ein alter Freund von Ihnen ist â Detective Colin Cook vom State Constabulary.â
âCormac!â, rief OâDonagh.
Sogleich flog die Tür auf. âJa, Sir.â
âSag Paddy, er soll noch eine Kanne Tee und Scones für unsere Gäste bringen.â
âWird sofort gemacht, Sir.â
âKennen Sie Detective Cook?â, wollte OâDonagh von ihnen wissen.
âEr ist ein Freund von mirâ, sagte Nell. âVor drei Tagen gab es einen Mord in â¦â
âJa, ich weiÃâ, sagte OâDonagh und winkte mit ungeduldiger Geste ab. âJohnny Cassidy. Und jetzt ist Colin mit Cassidys Mädchen verschwunden. Mary â¦â
âMolloyâ, sagte Nell.
âMolloy.â OâDonagh nickte. âHier passiert eigentlich nichts, von dem ich nicht erfahren würde, Miss Sweeney. Zudem hatte ich natürlich auch sehr viel mit Johnny Cassidy persönlich zu tun, da er als Mittelsmann zwischen Mutter und ihren Geschäftspartnern
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