Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
beschwichtigende Handbewegung zu Fringe hin, faltet den Umschlag auseinander und nimmt das Blatt darin heraus. Er blickt auf das Bild einer schlecht kopierten Winterlandschaft und liest die mit einer kursiven Computerschrift darüber gesetzten Zeilen:
Die Natur vereist, es gefriert das Herz.
Und übrig bleibt nur ein quälender Schmerz.
Devcon deutet ein Kopfschütteln an, zerknüllt das Blatt, lässt es fallen. »Wie’s aussieht, bekommen wir im Moment eine Menge merkwürdiges Zeug.« Er greift in die halb offen stehende Schreibtischschublade, zaubert eine Postkarte hervor und reicht sie Fringe. »Ich wollte das eigentlich für mich behalten. Aber nur, damit du mal siehst, dass auch ich unter Druck stehe.«
Norbert Fringe runzelt die Stirn und betrachtet zunächst die Rückseite der Karte: Bis auf Briefmarke, Poststempel und Anschrift ist sie leer. Er dreht die Karte um. Und schaut auf eine bunte Collage aus Fotos mit Sehenswürdigkeiten der Stadt Rotterdam. »Cherubs letzter von uns lokalisierter Aufenthaltsort«, hört er Devcon sagen. Fringe hebt ruckartig den Kopf. Die Postkarte hält er mit Daumen und Zeigefinger nur noch an einer Ecke.
»Spar dir die Mühe, sie ist schon untersucht.« Devcon lacht bitter. »Auf dem Ding waren ungefähr so viele nicht registrierte Fingerabdrücke wie auf ’nem ungereinigten Klodeckel im Kaufhaus-WC.«
Fringe starrt wieder auf die Postkarte. »Du meinst also, das hier ist nichts weiter als ein Scherz?«
»Ein sehr schlechter Scherz.« Devcons sonst angenehm tiefe Stimme wird zu einem Grollen. »Und ich empfehle dem Spaßvogel, zur Wahrung seiner körperlichen Unversehrtheit auf jeden Fall dafür zu sorgen, dass er auch weiterhin anonym bleibt.«
Tatjana Kartan linst zu Devcon hinüber. Und betrachtet dann eingehend die abgerundeten Kappen ihrer Winterbooties. Fringe starrt nach wie vor auf das Postkartenmotiv, scheint darin versunken. Er fährt erschrocken hoch, als das Telefon auf Devcons Schreibtisch klingelt.
»Jim! Eckhardt Lammert, Schutzpolizei, Leitung zwei«, ruft Regina Tamm aus ihrem Büro über den Flur.
»Okay!« Devcon drückt die Taste zur Gesprächsannahme. »Morgen, Kollege, was gibt’s?«
»Servus, Herr Kommissar. Arbeit. Wir haben hier eine Erfrorene.«
Devcon schweigt.
»Sind Sie noch dran?«
»Bin ich. Und seit wann ist Erfrieren ein Tötungsdelikt?«
»Die Frau war geknebelt – beziehungsweise sie ist es noch.«
»Verstehe. Ich schicke gleich ein Team. Sonst noch irgendwelche Besonderheiten?«
»Nun ja. Bis auf den Knebel ist die Frau nackt.«
Devcon runzelt die Stirn. »Ein Sexualdelikt?«
»Nein, sieht nicht so aus.«
»Well … dann vielleicht so was wie ein Streit unter Obdachlosen …«
»Garantiert nicht.«
Stille in der Leitung.
Devcon atmet tief ein und setzt zum Sprechen an, als Lammert schließlich doch fortfährt: »Ich weiß, wer sie ist.«
»Soll das heißen, Sie kennen das Opfer?«
»Kennen ist zu viel gesagt, aber …«
»Schon gut.« Devcon stöhnt leise, reibt sich die Augen und nickt Tatjana Kartan zu. »Wir sind unterwegs.«
11
»Was für eine Scheißkälte! Wird das denn überhaupt nicht mehr besser? Und ich hab meine Mütze vergessen, so ein Mist …« Kartan, die signalrote Daunenjacke bis übers Kinn hoch geschlossen, flucht ungeniert vor sich hin.
Devcon, der neben ihr die vom Schnee weitgehend befreiten Stufen zum Schaumainkai hinunterläuft, verzieht die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. »Never mind, in knapp zwei Monaten ist’s doch wieder Frühjahr.«
Kartan bleibt stehen. »Also weißte, deine Sprüche war’n auch schon mal besser. Außerdem gab’s letztes Jahr im März immer noch jede Menge von dem weißen Zeug, das nur mal zur Erinnerung. Kannst ja an den Nordpol ziehen, wenn du so’n Winterfan bist …«
»Hör schon auf.« Devcon ergreift ihren Arm und zieht sie weiter. »Die Großwetterlage können wir nachher diskutieren. Jetzt haben wir erst mal eine Verabredung.«
»Oh, nur keine Sorge, die tote Frau wird schon nicht gleich abhau’n!«
Devcon bleibt stehen und lässt sie los. Er starrt ein paar Sekunden auf seine Schnürboots und wendet sich dann wieder Kartan zu. »Hör zu, irgendwann ist es genug. So geht’s nicht weiter. Also los. Was ist dein Problem?« Er sieht sie an. Forschend. Was zur Folge hat, dass sie sich augenblicklich verschließt wie eine Auster.
»Nichts. Es – es ist gar nichts …«
»Das merke ich. Jeden Tag!«
»Jedenfalls hat es nichts mit
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