Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
dir zu tun. Also, eigentlich … Ach, lass mich doch einfach in Ruhe, ja?«
»Na klar, aber gern.« Devcon lacht. Bitter. »Wie du willst. Dann sei aber so freundlich und lass es «, er zieht das Wort betont in die Länge, »auch nicht ständig an mir aus. In Ordnung?« Er spricht laut. Lauter als beabsichtigt. Kartan sagt nichts. Sieht angestrengt zur Seite. Devcon schnauft vernehmlich, und die Kälte formt die ausgestoßene Luft zu einem Wölkchen. Er nagt an seiner Unterlippe und betrachtet die Frau vor sich. Er senkt die Stimme: »Pass auf.« Er legt beide Hände auf ihre Schultern. »Falls es das ist: Wenn du jetzt doch irgendwelche Probleme bekommen hast – ich meine, im Zusammenhang mit unserer Dienstwaffen-Aktion letztes Jahr …«
Sie weicht einen Schritt zurück. Schüttelt energisch den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Ehrlich.« Sie sieht ihn mit großen, fast schon angstvoll geweiteten Augen an. Er erwidert ihren Blick, fragend. Doch sie schaut wieder an ihm vorbei. »Es … geht schon. Wirklich. Danke …« Sie nickt bekräftigend, schaut Devcon aber noch immer nicht an. »Eigentlich ist doch alles bestens. Ja … also – dann. Tun wir jetzt mal unsere Pflicht.«
Sie trottet die Treppe runter, wobei das Streugut unter jedem Schritt der dicken Profilsohlen ihrer Booties knirscht. Devcon bleibt noch einen Moment stehen, steckt seine kalt gewordenen Hände in die Taschen seiner gefütterten schwarzen Lederjacke, die Lippen zu einem Strich aufeinandergepresst. Dann läuft er ebenfalls los, immer zwei Treppenstufen auf einmal nehmend.
Erst vor dem rot-weiß gestreiften Flatterband an der Uferwiese, das den Leichenfundort weiträumig absperrt, macht er Halt. Registriert den Menschenauflauf, der sich davor angesammelt hat. Und mit deutlichem Widerwillen taxiert er zwei junge Männer in Bomberjacken und Jeans. Die beiden recken die Hälse, halten ihre Handys hoch. Devcon zückt seinen Dienstausweis und drückt ihn dem einen fast ins Gesicht. »Hier gibt esnichts zu seh’n. Also haut endlich ab! Sonst kassier ich gleich mal eure klingelnden Fotoapparate da ein, kapiert?«
Der junge Mann springt erschrocken zur Seite. Devcon hebt das Flatterband, winkt Tatjana Kartan durch, dreht sich noch einmal um – und sieht direkt in die Kamera, die der junge Mann nun auf ihn gerichtet hat. Devcon schlägt ihm das Handy aus der Hand und hebt seinen Zeigefinger. »Ich hab dich gewarnt, mein Freund! Zieht Leine, oder ich lass euch abführ’n! Das ist kein Witz!«
»Ach ja? Und wegen was, Opa?«
»Behinderung der Ermittlungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, sucht’s euch aus«, erwidert Eckhardt Lammert trocken, der in diesem Moment hinzugekommen ist. Er nickt seinem Kollegen von der Schutzpolizei auffordernd zu.
»Ja, so was geht immer«, ergänzt Kartan. Leichthin. Doch ihre Körpersprache – erhobener Kopf, vorgeschobene Hüften, verschränkte Arme – signalisieren das Gegenteil.
Die beiden Männer mustern sie überrascht. Mit der signalroten Jacke, den ausgeblichenen Jeans, den Booties und dem lockeren Zopf, zu dem sie ihre zurzeit wieder pechschwarz gefärbten Haare zusammengebunden hat, entspricht sie offenbar nicht deren Vorstellungen von einer Kriminalkommissarin. Die Männer murren vor sich hin, treten dann aber den Rückzug an.
»Wo ist der Rest der Truppe?«, fragt Devcon, an Eckhardt Lammert gewandt. Der lächelt milde, die Arme in die gut mit Speck gepolsterten Hüften gestemmt. »Sie werden’s nicht glauben, aber wir sind sozusagen das letzte Aufgebot, der Kollege Meier und ich.«
Devcon legt die Stirn in Falten.
»Was soll’n wir machen?« Lammert zuckt die Achseln. »Allein drei von uns liegen immer noch im Hospital da drüben.« Er deutet auf das angrenzende Klinikum der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität. »Sie wissen schon, wegen der Schlägerei mit diesen miesen Vorstadt-Cowboys im Nordend vor zwei Wochen.«
»Sie meinen den Vorfall mit der Gang aus Bonames?«
»Genau den! Tolle Wohngegend, besonders der Ben-Gurion-Ring, wo sie alle herkommen. Eine Ansammlung von Hochhäusern, in den Siebzigern direkt neben die Autobahn geklatscht. Schöner wohnen sieht jedenfalls anders aus. Aber wie dem auch sei – unglaublich, mit was für einer Aggressivität die auf unsere Leute eingeprügelt haben. Und das ohne einen für uns erkennbaren Anlass!« Lammert schüttelt den Kopf. »Ich kann Ihnen sagen, manchmal verstehe ich diese Welt einfach nicht mehr. Stellen Sie sich mal
Weitere Kostenlose Bücher