Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
vor, die Lena Schermoly, die liegt immer noch auf Intensiv.« Sein Blick umwölkt sich. »Und das Thema Kinderkriegen, tja das ist für sie wohl durch, fürcht ich. Bei den schweren Unterleibsverletzungen. Dabei ist sie letzten Monat gerade mal vierundzwanzig geworden.«
Devcon wird blass. Kartan taumelt leicht. Sie hat das Gefühl, ihre Beine wären plötzlich aus Pudding.
»Wie – jetzt sagen Sie bloß, davon wussten Sie gar nichts?« Lammert saugt zischend die Luft ein und spuckt auf den Boden. »Was haben sie euch denn erzählt, diese Schweine aus’m Personalamtstall? Dass die Weicheier von der Schupo alle mit ’ner Kindergrippe im Bett liegen und Hustensaft schlürfen?« Lammerts massiger Körper gerät in Wallung. »Wissen Sie, auf wie viel Mann die unsere Abteilung inzwischen zusammengekürzt haben? Es ist ein Skandal! Ein Riesenskandal! Glauben Sie mir, da geht nichts mehr, wenn auch nur noch einer ausfällt. Kein Wunder, dass der komplette Abschaum der Stadt zum großen Halali bläst! Ich frage mich sowieso, warum wir uns nicht gleich ganz abschaffen, mehr Sparen ginge dann ja wirklich nicht mehr …«
»Ruhig, Lammert. Das bringt nichts. Oder sind Sie scharf auf einen Herzinfarkt?« Devcon zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Jackeninnentasche und hält sie ihm hin, was Kartan mit offenem Mund registriert.
»Auch eine?«, fragt Devcon sie, nachdem Lammert sich bedient hat. Kartan, noch immer völlig verdattert, schüttelt den Kopf. Devcon steckt die Schachtel wieder ein, ohne sich selbst eine Zigarette genommen zu haben. »Nur für alle Fälle«, raunt er, mehr an sich selbst gewandt. »Also dann.« Er wendet sich wieder an Lammert. »Sehen wir sie uns mal an, unsere neue – Kundin . Oder wie das jetzt sonst auf korrekt Neubürokratisch heißt. Was ist, kommst du?«
Tatjana Kartan stiert ihn an, unverhohlenes Entsetzen im Gesicht. Und folgt ihm. Wortlos.
»Sie sagten, Sie kennen die Tote?«, fragt Devcon.
Lammert winkt ab. »Kennen ist zu viel gesagt. Aber ich weiß, wer sie ist. Sie arbeitet … arbeitete in der Stadtbücherei. Ihren Namen habe ich zwar nicht parat, aber den rauszukriegen ist kein Problem. – Was? – Ja, ich komm gleich. – Sie seh’n ja, wo der Fundort ist, also bis nachher, man verlangt hier gerade nach mir.« Er wendet sich der Fahrerin des Rettungswagens zu, der nur wenige Meter entfernt oben an der Straße parkt.
Über die schneebedeckte Wiese gehen Devcon und Kartan zum Flussufer. Der Main ist hier stellenweise fest vereist. Der Leichnam liegt unmittelbar am Uferrand, den Blicken schutzlos ausgeliefert. Die nackte Frau liegt auf dem Rücken, Beine und Arme auf dem Boden ausgestreckt, der Mund mit einem roten Tuch geknebelt.
»Wir konnten nur noch ihren Tod feststellen«, sagt einer der Sanitäter, der gerade sein Equipment verstaut und dem Devcon schon mehrfach an einem Tatort begegnet ist. »Die Leute von der Bestattung sind bereits informiert.«
Devcon nickt, den Blick stoisch auf den Leichnam gerichtet. »Wer hat sie gefunden?«
»Jemand vom Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg. Die waren heute Morgen schon unterwegs wegen der Mainsperre aufgrund des Eises.« Der Sanitäter sieht auf seine Armbanduhr. »So etwa vor ’ner Stunde, schätz ich mal …«
»Als es gerade anfing hell zu werden, verstehe.«
»Eine Wasserleiche sieht jedenfalls definitiv anders aus, so viel seh ich jetzt schon.« Kartan runzelt die Stirn. Devcon tippt ihr leicht auf den Arm, ohne seine Blickrichtung zu ändern. Sie folgt ihm die wenigen Schritte zu der Leiche hin und geht neben Devcon in die Hocke, als der seinen Blick über den toten Körper gleiten lässt. »Keine Leichenflecken …«
»Bei den Temperaturen kein Wunder, oder …« Kartan begutachtet den Knebel, ein weinrotes Halstuch, und das vom Todeskampf gezeichnete Gesicht der Frau. Kartan schluckt, schaut auf die welken Brüste. »Alter schätzungsweise Ende fünfzig. Oder doch schon sechzig.«
»Keine Spuren einer äußeren Gewalteinwendung bis auf den Knebel. Und die Druckstellen da unten an den Fußgelenken.«
»Die könnten theoretisch auch von zu engen Sockenbündchen … hey, oder vielleicht ist das ja einfach nur ein Fall von Kälteidiotie.«
Devcon nimmt Kartan ins Visier, so als hätte sie einen grottenschlechten Witz gemacht.
»Was denn?« Sie hebt die Brauen. »Sie könnte doch betrunken gewesen sein. Und ist dann in ihrem stark alkoholisierten Zustand hier runtergetorkelt. Und irgendwann
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