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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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hatten sich schon an vielen Stellen von den Wänden gelöst, doch Ben war der Meinung, dass sie die Renovierung gemeinsam schon schaffen würden. Merkwürdig, dachte sie, wie oft er von einer Sache behauptet hatte, dass sie das schaffen würden. Ihr Tagebuch war angefüllt mit solchen Aussagen:
    Im ersten Monat nach unserem Einzug habe ich die drei Zimmer der oberen Etage weiß tapeziert und auch sämtliche Fenster und Türen im Haus weiß angestrichen. Selbst das Badezimmer wurde weiß gekachelt. Ben hat auf Weiß bestanden, obwohl er meine Abneigung dagegen kennt. Ich hasse Weiß. Es ist die Farbe des Todes. Sie ist steril und ohne jegliche Wärme. Steht sie nicht auch für hygienisch sauberen Sex? Es ist die Lieblingsfarbe meines Mannes. Ich habe den Versuch unternommen, ihn von bunten Tapeten und grünen Fensterrahmen zu überzeugen, doch ich habe das verräterische Zucken seiner Augenbrauen bemerkt und jede Diskussion eingestellt. Und weil ich einen Streit um jeden Preis vermeiden wollte, bekam das Haus ein weißes Innenleben.
    Unsere Abende verbringen wir vor dem kleinen Kamin im Wohnzimmer, vor dem ein brauner Esstisch steht, auf dem tagtäglich eine faltenfreie, blütenweiße Tischdecke zu liegen hat. Manchmal koche ich Bens Lieblingsessen und decke den Tisch besonders sorgfältig mit weißen Servietten, weißem Geschirr und weißen Kerzen in einem schweren, silbernen Kerzenleuchter. Ich habe Angst. Seit Annas Geburt spüre ich eine Bedrohung, die mir den Atem raubt.
    Es war kühl geworden auf der Veranda, und die Sonne war schon längst untergegangen. Mirja fröstelte. Wenn Ben mit ihr und Katharina zu Abend aß, sprach er kaum noch ein Wort mit ihnen. Das war am Anfang ihrer Beziehung anders gewesen. Damals gab er sich sehr fürsorglich und aufmerksam. Das alles war heute weit entfernt. Ein Traum, aus dem sie schon einen Tag nach ihrer Hochzeit erwacht war.
    Es war noch in der alten Wohnung gewesen, sie hatte einige Karten schreiben und sich für die Hochzeitsgeschenke bedanken wollen. Zu spät, fand Ben. Er war ausgerastet, hatte sie als Schlampe beschimpft und sie so angebrüllt, dass sie aus Furcht sogar geweint hatte. Später am Abend hatte er sich entschuldigt und war schweigend ins Bett gegangen. Sie hatte in dieser Nacht kaum Schlaf gefunden und war unruhig durch die Wohnung gewandert. Immer wieder hatte sie ihn vor sich gesehen, und das war unerträglich gewesen. Am nächsten Morgen hatten sie gemeinsam gefrühstückt, als wäre nichts geschehen, und am Abend hatte er sie leidenschaftlich geliebt.
    Zu Beginn hatte sie gedacht, es sei ein Ausrutscher. Vielleicht war er zu angespannt, vielleicht hatten ihn damals die Hochzeitsvorbereitungen und seine Arbeit zu sehr unter Druck gesetzt.
    Sie schwieg und versuchte, ihm alles recht zu machen, aber offensichtlich war sie dazu nicht in der Lage, denn sie fühlte sich in seiner Gegenwart ständigem Druck ausgesetzt. Und Katharina ging es ebenso. Das Mädchen fürchtete sich vor ihm. Dabei hatte sie mit dieser Ehe so viele Hoffnungen verbunden. Hätte sie nur auf ihren Vater und seine Warnungen gehört.
    Mirja strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und atmete tief durch. Zu schweigen und jedem Streit durch Gefügigkeit aus dem Weg zu gehen nutzte bei Ben kaum etwas. Dabei hatte sie gedacht, sie seien so verliebt gewesen und so glücklich darüber, sich gefunden zu haben. Doch nach zwölf Monaten Ehe bezweifelte sie, dass er jemals Gefühle für sie empfunden hatte. Er hatte sie mit gespieltem Verständnis und einer falschen Sensibilität geködert, deren Zweck einzig und allein darin bestand, sie zu besitzen, denn offensichtlich empfand er sich als Eigentümer ihrer Person.
    Es hatte langsam angefangen, schleichend, so dass ihr der allmähliche Wandel zunächst gar nicht aufgefallen war. Zuerst war die Zärtlichkeit verlorengegangen. Sich zu lieben, einander zu vertrauen, den anderen zu spüren und ihm auch das Letzte zu offenbaren, das hatte ihr gefallen, doch nach und nach bröckelte die Fassade, und es trat eine Dominanz in den Vordergrund, die schmerzte.
    Schließlich erkannte sie ihren Irrtum.
    Es waren keine Ausrutscher, und seine zunehmende Aggressivität bildete sie sich auch nicht ein. Sie litt weder an Verfolgungswahn, noch hatte sie ein Trauma oder war verrückt, wie Ben ihr an manchen Abenden einzureden versuchte. Es war einfach so, dass es ihn erregte, sie zu demütigen und zu quälen. So wie gestern, als er ihre Hände an die Bettpfosten

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