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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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gefesselt hatte.
    Sie hatte sich nicht gewehrt. Erst als ihre Handgelenke schmerzten, hatte sie gesagt: „Du tust mir weh!“
    „Komm, reiß dich zusammen“, befahl er und atmete schwer.
    „Bind mich los! Bitte! Katharina könnte uns hören.“
    „Gleich, gleich“, flüsterte er heiser.
    In seinen Augen konnte sie ein düsteres Funkeln erkennen. Er schob das dünne Nachthemd nach oben.
    „Ich … Ich will das nicht!“, rief sie und bäumte sich auf.
    „Klar willst du das – komm, zeig es mir, spreiz deine Beine …“
    „Du gehst zu weit. Mach mich sofort los!“
    Er lachte. Je verzweifelter sie war, desto erregter wurde er. Er starrte auf ihren nackten Unterleib, schob das Nachthemd über ihren Busen, griff nach ihren nackten Brüsten und presste sie zusammen, dass es schmerzte.
    „Ich verachte dich!“, wimmerte sie.
    Als er sie ins Gesicht schlug, wusste sie, dass sich hinter der Maske des freundlichen Gerichtsvollziehers ein menschliches Monster verbarg. Erst Stunden später löste er die Fesseln, ging ins Bad und verließ wenige Minuten später in seinem unscheinbaren dunkelgrauen Anzug und mit seiner schwarzen Aktentasche wortlos das Haus. Er war der Inbegriff des korrekten Justizbeamten. Seine Zwangsvollstreckungen waren die menschenfreundlichsten, die es überhaupt gab.
    Aber daheim strahlte er bereits beim Betreten des Hauses jene lauernde Unruhe aus, die immer in Gewaltausbrüchen endete, unabhängig davon, was sie tat. Wenn es so weit war, zuckte er mit den Augenbrauen, nur für den Bruchteil einer Sekunde, kaum wahrnehmbar, und Mirja wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er wieder die Grenze überschritt.
    ***
    Draußen vor dem Fenster blies ein bitterkalter Wind. Ängstlich verfolgte Katharina durch die Stoffvorhänge das zuckende Wetterleuchten. Seit Stunden lag ein Gewitter in der Luft. Ihre Mutter hatte sie gebeten, nicht wie sonst bei offenem Fenster zu schlafen, doch das Lichtspiel hinter dem Vorhang ließ sie nicht zur Ruhe kommen.
    Sie nahm ihr Tagebuch und schrieb:
    Ich habe gestern, als ich gerade mein Zimmer verlassen wollte, am Treppengeländer gehört, wie Mama und Ben sich wieder angeschrien haben. Ich habe durch das Geländer seine bösen Augen gesehen. Sie streiten sich so oft, und Mama ist dann immer traurig.
    Ich habe tatsächlich ein eigenes Zimmer bekommen. Besonders stolz bin ich auf den blauen Kleiderschrank, den Großvater für mich extra in meiner Lieblingsfarbe angestrichen hat. Aber auch der kleine ockerfarbene Kachelofen in der Zimmerecke gefällt mir. Meine Spielsachen habe ich in der Kommode verstaut. An der Wand gegenüber den beiden Fenstern steht mein Bett, das mit einem festen Baumwollbezug bezogen ist, auf dem sich lilafarbene Rosen durch rosa Karos ranken. Es könnte so schön sein, wenn Ben nicht wäre …
    Noch etwas war heute seltsam. Ich habe am Weiher den komischen Jungen getroffen, vor dem die Erwachsenen mich und Severin gewarnt haben. Lukas heißt er, und er ist gar nicht komisch. Na ja, ein bisschen schon, denn er ist geistig behindert. Aber total harmlos und auch irgendwie lieb. Er hat sich ein Baumhaus gebaut und beobachtet Vögel, wie er sagt. Ich habe ihm Schokolade geschenkt, und jetzt nennt er mich Schokoladenmädchen. Das gefällt mir. Ich habe ihm auch von Anna erzählt. Vielleicht gehe ich bald mal wieder zu ihm hin …
    Sie klappte das Tagebuch zu. Zögerlich, fast ängstlich, schob sie den Vorhang beiseite und öffnete das Fenster. Die Schwüle der Nacht schlug ihr entgegen. Sie sah zum Himmel. Dunkle, gewaltige Wolken verdrängten das Licht des Mondes.
    Das Spektakel, das sich ihren Augen bot, ließ sie erschauern. Zunächst noch weit entfernt und kaum hörbar, kam das Grollen des Donners schnell näher. Blitze zuckten am Himmel und machten die Nacht für Sekunden zum Tag, bis es wieder stockdunkel und still wurde. Sie hörte ihr Herz laut pochen. Rasch schlüpfte sie zurück ins Bett und verfolgte gebannt, wie ein feuerspeiender Drache vom Himmel stieg, dem sich kurz darauf ein Einhorn entgegenstellte, dessen Horn wie ein Lichtschwert leuchtete – und spielte da hinten nicht ein hässlicher Gnom auf einer Lichttrommel? Sie wusste nicht, ob sie sich der Furcht oder dem Staunen hingeben sollte. Schließlich fing sie an zu weinen, doch das war im tosenden Lärm des Gewitters nicht zu hören.
    Sie zitterte, zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch und blinzelte verschreckt in das blitzende Naturschauspiel am Himmel. Da krachte mit

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