EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
Profiler-Ausbildung beim BKA zu machen.“
„Das leuchtet mir ein.“
Hirschau massierte sein Kinn und sah van Cleef aufmerksam an. „Der Profiler muss sich vom Betrieb fernhalten, sonst läuft er Gefahr, betriebsblind zu werden, und dann ist er wertlos.“
„Ja, ja, verstehe“, sagte van Cleef, fast dankbar, dass Hirschau sich doch noch zu einer Erklärung herabgelassen hatte. „Hat man dich über unseren neuesten Fall informiert?“
Hirschau sah ihn irritiert an.
„Also, ich bearbeite momentan einen Mordfall und den Mordversuch an einer jungen Frau. Sie hat zwar überlebt, fiel aber ins Wachkoma. Du hast damals den Mordfall Katharina Wendel bearbeitet, der nach meiner Meinung damit in Verbindung steht. Du müsstest die junge Frau übrigens kennen.“
Hirschau sah ihn mäßig erstaunt an.
„Es ist Anna Wendel, Katharina Wendels Schwester.“
Hirschau blickte weg und starrte betroffen aus dem Bürofenster auf den regengepeitschten Parkplatz.
„Du musst mir davon erzählen, Robert. Wir müssen die Akten noch einmal gemeinsam durchgehen. Ich kann Anna Wendel nicht vernehmen, und es muss einen Zusammenhang geben. Ich brauche deine Hilfe.“
Hirschau nahm einen Schluck Wasser. Dann erzählte er schließlich van Cleef von seinen Erkenntnissen, die er vor allem durch die kriminalpsychologischen Studien von Andreas Heimbach erlangt hatte.
Van Cleef klärte ihn seinerseits kurz über den Mordversuch an Anna Wendel und den Stand der Ermittlungen auf.
„Wir haben weder eine Spur vom Täter noch eine Ahnung vom Motiv. Und irgendjemand scheint ihn gestört zu haben.“
„Es gibt einen Zeugen?“
„Den gibt es, aber er meldet sich nicht! Es ist zum Verzweifeln. Ein Mann hat wohl etwas gesehen und den Notruf gewählt. Das Merkwürdige ist allerdings, dass man von der Straße gar nichts sehen kann. Er muss also das Grundstück betreten haben. Wir fanden Fußabdrücke vor dem Wohnzimmerfenster und wenige Haare am Opfer und in der Wohnung.“
„Wobei das natürlich nicht bedeuten muss, dass sie von dem Zeugen stammen.“
„Richtig. Der Beamte, der den Notruf entgegengenommen hat, sagt, dass der Anrufer gestottert hätte. Immerhin ein kleiner Hinweis. Aber das ist noch nicht alles. Vor drei Tagen fanden wir die Leiche einer jungen Frau. Man hat ihr den Kehlkopf mit einem Ausbeinmesser förmlich ausgelöst. Vielleicht hat dieser Fall nichts mit Anna Wendel zu tun, aber ich habe ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Diese Frau weist im Übrigen gewisse Ähnlichkeiten mit Anna Wendel auf.“
„Wurden dem Opfer die Stimmbänder durchtrennt und wurde die Zunge gespalten?“
„Ja.“
Robert Hirschau beugte sich vor; auf seiner Stirn pochte eine Ader.
„War sie blond? Hatte sie zartblau lackierte Fingernägel?“
„Ja, aber woher …“
Hirschau lehnte sich zurück. „Dann hat dieser Fall tatsächlich etwas mit den Morden zu tun. Lies die alten Akten. Sei mir nicht böse, aber ich habe noch einen Termin. Können wir morgen weiterreden?“
Van Cleef verstand und ließ ihn murrend ziehen.
Kapitel 33
Mathilda lehnte sich in den bequemen Sessel vor dem Terrassenfenster ihres Wohnzimmers zurück und blickte in den Garten. Es war Mitte Dezember, und es begann wieder zu schneien; der Winter kam früh in diesem Jahr. Die Schneeflocken fielen zart und kaum merklich vom Himmel und machten die Landschaft weiß und plüschig. Hinter ihr flackerte das Feuer im Kamin; die leise lodernden Flammen und das Knistern des brennenden Holzes gaben ihr das Gefühl behaglicher Vertrautheit. Sie strich eine Strähne ihres feuerroten Haars aus der Stirn und blickte nachdenklich auf die zierlichen Birkenbäume im Hintergrund und den davor liegenden kleinen Seerosenteich, den verblühte Rosensträucher umstanden.
Sie genoss es, seine Fragen zu beantworten, dachte sie. Benedikt van Cleef war ein geduldiger Zuhörer, und es würde jene Klarheit bringen, die sie selbst so dringend brauchte. Er durchleuchtete Annas Vergangenheit und hoffte, von ihr einen Hinweis auf den Täter zu bekommen. Ob es in unserer gemeinsamen Vergangenheit etwas gibt, das von Bedeutung sein könnte?, fragte sie sich.
Den einzigen Widerling, den sie in Katharinas unmittelbarer Umgebung erlebt hatte, war ihr Vater. Von ihm hatte Anna nichts Gutes erzählt.
„Ben konnte seine Finger nicht von Katharina lassen“, hatte sie gesagt. „Er hat sie immer wieder betatscht.“
Meine Güte, dachte Mathilda, es ist schon so lange her. Aber da war noch
Weitere Kostenlose Bücher