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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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unterhalb des Schildknorpels an und durchtrennte mit sauberem Schnitt Haut, Sehnen und Gefäße. Blut lief in das Auffangbecken. Er trat einen Schritt zurück, warf das Skalpell auf den Boden und sah zu, wie sich rote schmierige Streifen auf seiner Schürze bildeten.
    Mit der Linken hielt er unerbittlich den Kopf am geflochtenen blonden Haarzopf fest, mit der Rechten nahm er die federleichte Titansäge. Er durchtrennte zunächst die Weichteile des weißen, blutgeröteten Halses, schließlich die Wirbelsäule und den Rückenmarkskanal im Bereich des sechsten Halswirbels.
    Für einen Moment pendelte Sofias Haupt über der Plastikwanne. Noch immer schauten ihn ihre toten Augen an. Plötzlich küsste er sie, und ihre langen, blutverschmierten Wimpern berührten dabei seine von der brasilianischen Sonne gebräunten Wangen. Er lächelte.
    „ Eu so, um principe, e lindo como o amor . Ich bin ein Prinz und schön wie die Liebe“, flüsterte er und legte den Kopf zum Ausbluten in das Waschbecken auf der Küchenanrichte.
    Erschöpft wischte er sich mit dem nackten Oberarm Knochenbrösel und Gelee vom Gesicht. Dann stülpte er eine Plastiktüte über den Halsstumpf, warf sich den Corpus über die Schulter und verließ die Hütte.
    Der Mond schien, und er redete sich ein, der Mondschein wäre ein Zeichen der Jivaro, die sein Tun guthießen. Schon immer hatten sich seine Freunde aus Amazonien für das juunt namper, „das große Fest“, eine Tsantsa, einen Schrumpfkopf, mit goldenem Haar gewünscht, und es war ihm eine Ehre, ihnen diesen Wunsch nun zu erfüllen.
    Er trug Sofias Körper zur Bank, dann lauschte er in die Stille der Nacht. Er würde sich von der Verirrung dieser Welt befreien. Mit Annas Tod konnte eine neue, starke, reine Ära beginnen. Frost lag in der Luft, aber ihm war heiß, als er den Leichnam zur Bank trug.
    Ein juunt namper für die Kormorane, dachte er.
    Eine Stunde später war Sofias Kopf ausgeblutet. Mit geübten Händen zog Jakob die Haut samt Haaren vom Schädelknochen ab. Um dabei kein Einreißen zu riskieren, hatte er vorher die Lippen zusammengenäht und die Augäpfel herausgeschält. Der violettblaue Faden war ein wunderbarer Kontrast zu dem blassen Mund.
    Er legte die Kopfhaut eine Weile in kochendes Wasser, wobei er darauf achtete, dass der blonde Zopf nicht damit in Berührung kam. Ein merkwürdiger Duft erfüllte den Raum. Brühe, die ihn an die flau gewürzte Flüssigkeit erinnerte, die seine Mutter ihm als Kind vorgesetzt hatte: Suppe mit Fettaugen und widerlich stinkendem Knochenmark. Er ekelte sich, und doch sah er fasziniert zu, wie sich die Haut auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Größe zusammenzog. Dann nahm er sie heraus. Sie war jetzt dick und ledrig.
    Rasch mischte er die zerhackten Fingerknochen von Katharinas Hand unter die kleinen, heißen Steine, die er zuvor im Kamin erhitzt hatte, und füllte damit die Kopfhaut, damit sie weitere sechs Stunden schrumpfen konnte.
    Dann wandte er sich dem Schädelknochen zu. Mit der Präzisionssäge spaltete er die Schädeldecke und nahm das Gehirn heraus. Er teilte die gräuliche Masse auf der Küchenanrichte in zwei gleiche Hälften, die er sorgfältig nebeneinander auf ein weißes Fettpapier mit Wasserzeichen legte.
    Wenig später ging er ins Bett. Während er ruhig schlief, lief in den silbrig glänzenden Augenhöhlenknochen der Toten unruhig eine Fliege auf und ab.
    ***
    Sechs Stunden später nähte Jakob den unteren Teil der Tsantsa zu, packte ihn am Zopf und hängte den Schrumpfkopf an einen Haken in der Räucherzelle. Auf dem Fußboden verstreute er mit den aromatischen Kräutern der Jivaro gemischte Räucherspäne. Dann schloss er die Räucherzelle ab und schaltete das Gerät ein.
    Sofias Haar würde weiter wachsen, auch in den nächsten Jahren, und es würde länger, blonder und seidiger.
    Als acht Stunden später das akustische Signal ertönte, nahm er den Schrumpfkopf aus der Räucherzelle, modellierte die Gesichtszüge ein wenig nach und betrachtete die Tsantsa voller Bewunderung. Sorgsam legte er sein Heiligtum – es war jetzt kaum größer als ein kleiner Ball – in eine Kiste und stellte sie in den Küchenschrank.
    Um den Schrumpfkopf auch rituell zu vervollkommnen und dadurch wirkmächtig zu machen, würde er in Brasilien zu sechs juunt namper einladen: drei für Sofias Tsantsa, als Ersatz für Katharina, und drei für Annas Tsantsa . Das erste juunt namper sollte unmittelbar nach seiner Rückkehr stattfinden. Raimundo

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