EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
„Richter Kollmann war Ihr Großvater“, sagte er und hörte, wie sich verräterischer Zorn in seine Stimme stahl. „Sie nennen sich aber Kreiler.“
Kreiler schien erleichtert, dass er das Thema wechselte. „Es ist der Mädchenname meiner Mutter“, sagte er. „Sie war mit Kollmanns Sohn Georg verheiratet. Nachdem sie erfuhr, was mein Großvater getan hat, hat sie nach dem Tod meines Vaters wieder ihren Mädchennamen angenommen und den Namen Kollmann aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Mein Vater ist in der gleichen Nacht gestorben wie mein Großvater.“
„Ihnen ist es offensichtlich nicht gelungen, Ihren Großvater aus dem Gedächtnis zu streichen“, stellte der Pole fest; er spürte, wie Speichel aus seinem Mundwinkel tropfte, und sah, dass Kreiler es bemerkt hatte.
„Es reicht jetzt!“, sagte Kreiler laut.
Die Schlagbohrer in seinem Schädel setzten sich wieder in Gang. „Was haben dir diese Dreckskerle angetan?“, brüllte er. Er ergriff Kreilers Arm und beugte sich zu ihm, bis sein Mund ganz nah an seinem Ohr war. „Du musst dich nicht schämen!“, donnerte er. „Es war nicht deine Schuld!“
„Bitte!“, flehte Kreiler. „Ich habe Sie bezahlt …“
Sein Betteln öffnete in Pawel ein schreckliches und unwiderstehliches Fenster zum Bösen. Er schmiegte seine Wange an die von Kreiler. „Du hast einen Fehler gemacht. Mein Name ist Pawel Kubanek. Ich bin der Enkel von Maryam Krasinski“, flüsterte er. „Und jetzt … wirst du mir deine Geschichte erzählen“, flüsterte er ihm ins Ohr.
Er fühlte, wie Jörg Kreilers Tränen über sein Gesicht liefen. Und er begann ebenfalls zu weinen. Weil er erkannte, dass es nur einen Weg gab, Eintritt in diese Seele zu finden. Er steckte die Hand in seine Hosentasche und holte einen Stahldraht heraus. Dann legte er die Schlinge um Kreilers Hals und zog sie fest zu. Nicht zu fest, nur bis zur Bewusstlosigkeit. Danach setzte er ihn auf den Beifahrersitz und fuhr zu Kreilers Ferienvilla in Salzburg. Den Grenzübergang in Richtung Österreich konnte er ungehindert passieren. Und selbst wenn ihn ein Beamter der Bundespolizei angehalten hätte, wer kannte schon genau den Unterschied zwischen einem Betrunkenen und einem bewusstlosen Menschen?
Während der Fahrt summte er mit versiegelten Lippen: „Ein kleines Negerlein, das fürchtete sich sehr, nahm einen Strick und hängte sich auf – und dann gab’s keines mehr …“
Vier Stunden später legte er in der Badewanne von Kreilers Villa seinen Daumen unter das Kinn des Mannes, drückte sanft seinen Kopf in den Nacken und klappte gnädig das Taschenmesser außerhalb von Kreilers Blickfeld auf.
Jörg Kreiler leistete keinen Widerstand. Nach einer zweistündigen Tortur qualvoller Schmerzen wollte er nur noch Erlösung.
Der Pole zog die Klinge mit einer flinken Bewegung über die Halsschlagader und durchtrennte sie mit einem sauberen Schnitt. Blut lief über seine Wange und vermischte sich mit den Tränen. Er wusste nicht, ob es sein Blut war oder das Kreilers, dessen Tränen oder seine. In diesem letzten Moment lösten sich alle Grenzen zwischen ihm und seinem Opfer auf. Er war von den Fesseln seiner eigenen Identität befreit. Er schlang seine Arme um Kreiler, drückte ihn fest an sich und stöhnte, einen ewigen Bund zwischen ihnen besiegelnd.
Leise sagte er: „Es tut mir leid. Aber es ist so, dass du mich beauftragt hast, meinen eigenen Großvater zu töten.“
Pawel Kubanek hielt Richard Kollmanns Enkel in den Armen, während er sich in Erschöpfung verlor, und er spürte, wie sich seine Muskeln entspannten, sich sein Herzschlag verlangsamte, sein Verstand klärte und er vollkommenen Frieden empfand.
Er staunte. Noch nie hatte ein Opfer im Todeskampf gelächelt. Sein letztes Wort galt einer Katharina. Sie musste eine außergewöhnliche Frau sein.
Kapitel 43
Salzburg
Mechthild Hensel hatte bereits mit ihrer Arbeit begonnen. Jörg Kreiler hatte seinen Hausschlüssel wie immer unter den Blumentopf neben dem Eingang des Ferienhauses gelegt, so dass sie es heute Morgen bereits um sieben Uhr betreten konnte. Seit drei Monaten hielt sie das Haus sauber, und wenn sie wie heute in den frühen Morgenstunden die Küche betrat, kochte sie Kaffee und machte dem Professor das Frühstück, wobei sie sich jedes Mal fragte, warum dieser gutaussehende Mann keine Frau hatte.
Im Esszimmer roch es nach Bier und Zigaretten. Der Professor hatte einen Gast gehabt, und sie hatten zweifellos am Abend zuvor in diesem
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