EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
ich bin eine Kapazität auf diesem Gebiet.“
Benedikt wurde es zu bunt. „Sie hätten genauso gut sagen können, dass Sie über gottähnliche Fähigkeiten verfügen“, bemerkte er sarkastisch.
Kreiler musterte ihn kalt. „Gottähnliche Fähigkeiten?“
Van Cleef hielt seinem Blick stand.
„Damit Sie nur einen vagen Hinweis darauf bekommen, Herr Kommissar, wie talentiert jemand sein muss, um ein neurochirurgisches Team zu leiten: Ich bin Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Neurochirurgie und Unfallmedizin. Ich ein ausgebildeter Psychoanalytiker und Psychotherapeut. Ich wurde belobigt von fünf Gesundheitsbehörden in Europa. Also frage ich Sie: Wenn ein Mann in die Kirche geht und auf die Knie fällt und zu Gott betet, dass seine hochschwangere Frau aufgrund eines Autounfalls ihre Babys nicht verliert oder kein akutes Gehirntrauma wegen des postoperativen Schocks davonträgt, was glauben Sie, wen er da anfleht?“
Van Cleef wurde kreidebleich. Er verstand die indirekte Anspielung auf Mathildas Schwangerschaft.
„Also, nur zu, Herr Kommissar! Gehen Sie in die Kirche, zünden Sie eine Kerze an, und mit ein bisschen Glück wird alles gut. Aber wenn Sie dort auf der Suche nach Gott sind, dann war er gerade im Operationssaal Nummer vier. Und er mag es gar nicht, kritisiert zu werden. Sie fragen mich, ob ich gottähnliche Fähigkeiten habe? Ich werde Ihnen etwas sagen: Dort bin ich tatsächlich Gott!“
Meine Güte, diese Weißkitteleitelkeit, dachte Benedikt. Wenn sie in der Mordkommission auch so übertrieben auf ihre Ehre bedacht wären, wären sie wahrscheinlich mehr mit ihren Profilneurosen als mit dem Lösen der Fälle beschäftigt. Wie kam er eigentlich darauf, den Doktor mit einer Schlange zu vergleichen? Weil diese skulpturale Wandleuchte hinter Kreilers Rücken ihn mit ihren vier Farbfeldern in einen seltsamen Zustand versetzte?
„Schon gut“, sagte er, wohlwissend, dass er einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. „Ich habe die Akte dabei, kann sie Ihnen aber nicht dalassen. Daher mache ich Ihnen einen Vorschlag. Ich habe noch einen Termin in der Pathologie. Ich wäre in etwa einer Stunde wieder bei Ihnen. Werfen Sie in der Zeit einen Blick hinein. Offene Fragen könnte ich danach mit Ihnen erörtern. Ich muss aber eines klarstellen, Professor Kreiler: Ich stimme nur zu, weil ich bemerkt habe, dass Frau Gavaldo tatsächlich etwas … verwirrt scheint und …“
Kreiler unterbrach ihn. „Vielleicht noch eines zu Ihrer Information, Herr van Cleef. Der Hypnosezustand ist keineswegs etwas Unnatürliches, das nur künstlich herbeigeführt werden kann. Jeder von uns ist sogar recht oft in Hypnose, zum Beispiel jeden Morgen, wenn man sich verschlafen aus dem Bett rollt. Wir befinden uns dann in einem Zustand zwischen Wachbewusstsein und Schlaf. Das Gehirn sendet in diesem Bereich sogenannte Alphawellen aus. Dies ist genau der Zustand, der normalerweise auch unter Hypnose erreicht wird. Im Bereich der Delta- und Thetawellen befinden wir uns im natürlichen Schlaf oder bei sehr geringer Frequenz im Koma. Dieser Bereich kann durch Hypnose nur in sehr seltenen Fällen erreicht werden, da dazu ein extremes Stadium der Tiefenhypnose notwendig ist.“
Van Cleef seufzte.
Kreiler beugte sich ein wenig zu ihm vor. „Vielleicht so viel: Frau Gavaldo kam gestern in meine Praxis und glaubte, ihren Peiniger Jakob gesehen zu haben.“
„Okay, okay, Sie haben mich überzeugt.“ Van Cleef sah sich um, zog einen Stuhl vor Kreilers monströsen Schreibtisch und setzte sich. „Vielleicht sollte ich Ihnen etwas über den Mörder Corelli erzählen“, fragte er versöhnlich.
„Entschuldigung, Herr van Cleef, aber ich möchte mir erst mal ein völlig eigenes, unbefangenes Bild machen. Ich hätte daher gern vorher die Akte studiert.“
Du überheblicher Neuronenklempner, dachte Benedikt. Wenn mir Annas Wohl nicht so wichtig wäre, würde ich dir einen ordentlichen Tritt verpassen.
„Wie Sie meinen“, antwortete er gedehnt. „Ich will keineswegs Ihrem kompetenten Urteil vorgreifen.“
Er ruckte geräuschvoll mit dem Stuhl nach hinten und erhob sich. Gedankenverloren starrte er einen Moment auf die auffällige Wandleuchte.
Kreiler hob die Augenbrauen. „Haben Sie noch etwas auf dem Herzen?“
„Nein, nein“, sagte van Cleef, „es ist Ihre Wandleuchte. Sie hat ein erstaunlich beruhigendes Licht.“
„Es ist eine Spezialanfertigung. Das Licht unterstützt die Hypnosetherapie.“
„Ja, Professor.
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