EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
Überfall auf den Inhaber einer Bäckerei in Gurka, einen Umsiedler aus Bessarabien. Es wurden zwei Brote, fünf Eier und ein Paket Zucker entwendet.
Am 5. Oktober 1944 wurde Krasinski festgenommen.
Der Angeklagte ist ledig. In seinem Elternhaus wurde ausschließlich Polnisch gesprochen, obwohl sein Vater deutschen Blutes war. Erst während seiner Dienstzeit bei der deutschen Wehrmacht hat der Angeklagte die deutsche Sprache erlernt. Die einzige Schwester des Angeklagten dient ebenfalls bei der deutschen Wehrmacht als Krankenschwester im Lazarett Troppau.
II.
Die Feststellungen beruhen auf dem glaubwürdigen Geständnis des Angeklagten in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.
Die im Felde begangene Fahnenflucht wird gemäß § 70 Militärstrafgesetzbuch mit dem Tode, mit lebenslangem oder mit zeitigem Zuchthaus bestraft. Nach den Richtlinien des Führers vom 14. April 1940 ist die Todesstrafe dann angebracht, wenn der Täter sich während der Fahnenflucht verbrecherisch betätigt hat. Dieser Fall ist hier gegeben, da der Angeklagte sich nach dem Verlassen seiner Truppe des Hochverrats und des Kriegsverrats durch die im Rahmen der Feindbegünstigung begangenen übrigen Verbrechen – schwerer Raub, Plünderung usw. – schuldig gemacht hat. Der Angeklagte hat durch seine Verurteilung im Jahre 1943 gezeigt, dass er ein asozialer Mensch ist. Bei der Wehrmacht hat er gezeigt, dass er sich nicht an Disziplin und Ordnung gewöhnen kann. Während der Fahnenflucht hat er wieder einen Einbruchdiebstahl begangen.
Die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, bei dem die Tat auf Herstellung oder Aufrechterhaltung eines organisatorischen Zusammenhalts gerichtet ist, wird vom Gesetz mit dem Tode, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bedroht, während für Kriegsverrat nur die absolute Todesstrafe vorgesehen ist. Da bei den letztgenannten Verbrechen Tateinheit vorliegt, ist die Strafe dem § 57 Militärgesetzbuch als dem Gesetz zu entnehmen, das die schwerste Strafe androht. Auch hier war daher auf Todesstrafe zu erkennen.
Die Verhängung der Ehrenstrafen rechtfertigt sich aus § 31 Strafgesetzbuch und § 32 Militärstrafgesetzbuch.
Hirschau klappte die Akte zu und legte sie beiseite.
Als Leiter der Kommission für organisierte Kriminalität wusste sein Vorgesetzter, dass Informationen über die gemeinsame Mitgliedschaft der drei Mordopfer in einer früheren Widerstandsorganisation ernst genommen und in die Vergangenheit rückverfolgt werden mussten.
Der achtzehnjährige, noch berufslose Maryam Krasinski war ganz sicher nicht der nette Junge von nebenan gewesen; man hatte ihn schon früher wegen mehrerer Diebstähle verurteilt und eingesperrt, dennoch hatte seine soziale Devianz keinesfalls das von Kriegsgerichtsrat Richard Kollmann verhängte Todesurteil gerechtfertigt. Aus der Akte ging hervor, dass er von einem Geistlichen überredet worden war, sich den Partisanen anzuschließen; nach Ableistung des Soldateneids und kürzerer Dienstzeit hatte er behauptet, Pole zu sein, womit er nicht hätte eingezogen werden dürfen. Zweifellos war dies eine widerspruchsvolle Argumentation und ein sehr untaktisches Verhalten, noch dazu vor dem Hintergrund des Diebstahls.
Trotzdem hätte ein Gericht, das diesen Namen verdiente, den Sachverhalt klären und angemessen würdigen müssen. Das Gericht hatte sein Urteil damit begründet, dass der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit die Voraussetzung für den Eintritt der Wehrpflicht im Rechtssinne sei. Allerdings sei es anerkanntes Recht, dass die Tatsache der Einstellung in die deutsche Wehrmacht maßgeblich war und dies auch für die fehlende deutsche Staatsbürgerschaft des in den Wehrdienst einberufenen Nichtdeutschen gelte.
Hirschau seufzte. Dem widersprüchlichen Verhalten des jungen Mannes entsprach die widersprüchliche Argumentation der Richter, besonders jedoch des Verhandlungsleiters, der zwar offenkundig über keine schlüssige Argumentation verfügte, aber unbedingt ein Todesurteil fällen wollte.
Heute wusste man von den Greueltaten deutscher Richter, die im Nachkriegsdeutschland der Öffentlichkeit lange Zeit verborgen geblieben waren. Dieses Kapitel gehörte der Vergangenheit an.
Doch stimmte das wirklich? Warum wurden nun plötzlich innerhalb eines Monats drei Mitglieder der ehemaligen Partisanenorganisation auf bestialische Weise umgebracht? War es ein Racheakt?
Hirschau sah sich die
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