EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
kümmerte sich aber nicht darum, sondern bog links auf die B 471 Richtung Dachauer Moos in eine einsame, schmale Straße mit dem passenden Namen Am tiefen Graben . Ein Umweg, aber was soll’s, dachte Mathilda. Und als sie Dachau erreichte, schien sie den Mercedes verloren zu haben.
Als sie langsam auf den Schannenplatz zufuhr, um noch einige Einkäufe zu erledigen, wäre ihr irgendein Lebenszeichen recht gewesen. Der Platz war menschenleer. Es nieselte, und die Sicht durch die nasse Scheibe war schlecht. Sie schaltete die Scheibenwischer an, aber sie kratzten und schabten nur. Sie musste die Wischerblätter auswechseln. Die Geschäfte lagen wenig einladend in der grauen Dämmerung, nur aus einem Imbisslokal fiel gelbes Licht auf den Gehweg, aber niemand schien dort zu sein. Beim Anblick der leeren Bürgersteige musste sie an die nicht mehr fernen, langen Winterabende denken, und das Glänzen der nassen Steinplatten ließ sie frösteln.
In der Dämmerung versuchte sie, eine Telefonzelle ausfindig zu machen. Warum hatte sie auch vergessen, ihr Handy aufzuladen?, dachte sie und fluchte innerlich. Sie hatte so gut wie versprochen, auf dem Rückweg bei Anna vorbeizukommen, und musste ihr Bescheid sagen, dass sie es nicht schaffen würde. Der anstrengende Stadtverkehr schien jetzt weniger schlimm als die Vorstellung, in der Dunkelheit noch eine weitere Stunde unterwegs zu sein. Sie war einfach zu erschöpft.
Endlich! Sie hatte doch gewusst, dass es auf dem Platz Telefonzellen gab. Sie hielt auf dem Kopfsteinpflaster an, ging schnell hinüber und fluchte, als sie in eine Pfütze trat und ihr Schuh sich mit eisigem Wasser vollsog. Sie humpelte weiter und spürte, wie ihre Zehen anfingen, am Schuh zu reiben, zog die Tür der Zelle auf und suchte in ihrer Geldbörse nach Kleingeld.
Während sie auf das Freizeichen horchte, sah sie auf die Uhr. Halb acht, mindestens noch zehn Minuten Fahrt bis nach Hause, dann eine Tasse Tee und danach ein heißes Schaumbad und schnell ins Bett. Sie spürte den leicht brennenden Blütengeschmack schon auf den Lippen.
Das Telefon klingelte, dann hörte sie ein Klicken und Annas Stimme.
„Hinterlassen Sie eine Nachricht, ich melde mich.“
Der Anrufbeantworter. Das war nicht fair! Sie hörte den Piepton und sagte schnell: „Hallo, Anna. Ich bin schon in Dachau. Es ist jetzt halb acht. Die Fahrt hat länger gedauert, als ich vermutet habe, und ich fahre direkt nach Hause. In ungefähr zehn Minuten bin ich dort. Ich versuch’s dann noch mal.“
Sie wartete, ob Anna abnahm; manchmal ließ sie das Gerät laufen, um zu hören, wer anrief, aber sie hob nicht ab. „Also, bis dann“, sagte sie leise und ziemlich deprimiert.
Ich muss unbedingt mit ihr sprechen, sagte sie sich, als sie zum Auto zurücklief. Es genügte nicht, eine Nachricht zu hinterlassen. Aber Anna hatte sich darauf verlassen, dass sie zu ihr nach Hause kommen würde. Weshalb hob sie dann nicht ab?
Mathilda steckte den Schlüssel ins Schloss und hielt inne. Sie fühlte sich immer noch erschöpft nach diesem harten Tag, und es wäre vernünftig, sich vor der Weiterfahrt fünf Minuten auszuruhen.
Dann suchte sie in ihrer Tasche nach einem kleinen Beutel Riopan, ihre Magensäure hatte mal wieder einen Höchstpegel erreicht, und der Magendruck war unerträglich.
Ihre Furcht hatte sich in Müdigkeit verwandelt, und sie wäre am liebsten einfach sitzen geblieben, um im Schutz des Wagens die Stille zu genießen. Aber je eher sie weiterfuhr, desto besser.
Sie drehte den Zündschlüssel um, sah in den Rückspiegel und fuhr los. Hinter sich hörte sie ein anderes Auto starten und anfahren. Sie war also nicht die Einzige, die sich an diesem Abend auf den Heimweg machte. Die Scheinwerfer eines Wagens hinter sich zu haben würde tröstlich sein und das Gefühl vertreiben, die Welt sei untergegangen und sie wäre die einsame Überlebende einer Katastrophe. Aber auf dem letzten ebenen Stück, bevor die Straße anstieg, kam der Wagen hinter ihr näher und überholte sie zügig und mühelos.
Der Mercedes! Sie fröstelte und drehte die Heizung auf. Der Wind heulte und drückte den Motorgeruch ins Wageninnere. Ihre Füße waren heiß, aber sonst fror sie. Die Mittermayerstraße machte eine Rechtskurve und führte dann an einem Haus vorbei, durch dessen Fenster warmer Lichtschein auf die Straße drang, dann ging es nach links.
Plötzlich blendeten sie die grellen Scheinwerfer eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Sie fuhr langsamer,
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