EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
spähte hinaus und versuchte, etwas zu erkennen. Dann war es wieder klar, die Scheinwerfer beleuchteten die nasse Straße. Sie war fast zu Hause. Das Licht spiegelte sich im Wasser der dunklen Tümpel. Bald würde die Straße abfallen, an dem Secondhand-Laden vorbei, zwischen dicken Bäumen hindurch bis zum Waldfriedhof. Bald zu Hause, bald zu Hause, ging es ihr durch den Kopf. Sie dachte an Benedikt und fragte sich, ob sie ihn im Büro anrufen sollte, wenn sie heimkam. Lichter tanzten durch die Dunkelheit, sie schreckte auf und konzentrierte sich. Wenige Minuten später bog sie in den Schubertweg.
Als sie die Haustür aufschloss und nach Frau Heldmann, ihrer Haushälterin, und nach Katharina rief, die bei ihr übernachten würde, war ihr schon wohler zumute.
***
Später am Abend beobachtete sie Katharina, die am Küchentisch ein Bild malte. Schwarze Knopfaugen starrten sie von der Zeichnung an.
„Wer soll das auf dem Bild da sein, Kleines?“
„Bobby und Mami. Sie mag ihn.“
„Nein, glaub mir, Katharina. Mami mag Bobby nicht.“
„Er sagt etwas anderes.“
„Was meinst du damit, sagt er?“
Wieder ein Blick von Katharina, ein Achselzucken. Sie hielt die Augen starr auf ihre baumelnden Füße gerichtet. Mathilda spürte, wie sie mit sich kämpfte.
„Willst du, dass ich’s dir erzähle?“, fragte sie schließlich.
„Bitte“, sagte Mathilda. „Was sagt er? Was sagt Bobby?“
Katharina kicherte plötzlich.
„Was sagt er?“, drängte Mathilda.
„Er sagt, dass er Mami bumst. Was ist bumsen, Mathilda?“
Ihr Atem stockte. Sie schaute noch einmal auf die Zeichnung. Waren diese Knopfaugen, die unter einer getupften Bettdecke hervorschauten, die Augen eines anderen Mannes? Sie beugte sich zu Katharina und schaute sie eindringlich an. „Woher hast du das, Kleines?“
„Bobby sagt das.“
Sie stutzte. „Nein. Wo … Von wem hast du das?“
„Von Bobby.“
„Es gibt keinen Bobby. Wer sagt das?“
„Bobby.“
„Das ist nicht wahr. Wer sagt das?“
„Bobby, Bobby, Bobby!“, schrie Katharina und begann zu weinen.
Mathilda nahm sie in den Arm und versuchte, sie zu beruhigen. „Du weißt doch, Kleines, dass du nicht mit Fremden reden sollst.“
„Er ist kein Fremder, Mathi.“
„Was meinst du?“
„Er ist mein Freund, Bobby ist mein Freund.“
„Trotzdem ist er für uns ein Fremder. Wir kennen ihn nicht!“
Katharina sprang auf und löste sich aus ihrer Umarmung.
„Lauf nicht weg, wenn ich mit dir rede. Ich will dir etwas sagen.“
„Entschuldigung, Mathi. Warst du denn nicht fertig?“
„Nein, ich war noch nicht fertig. Ich möchte dir klarmachen, dass es wichtig ist zuzuhören, wenn ich dir etwas sage.“
„Alles klar, Mathi“, sagte Katharina und rannte auf ihr Zimmer.
Alles klar? Woher hatte das Kind bloß diese Ausdrucksweise?
***
Als sie wenige Minuten später das Gästezimmer betrat, hörte sie Katharina leise „Bobby! Bobby!“ rufen.
„Schätzchen, sieh mal, ich habe heute Nachmittag eine Tafel Schokolade für dich gekauft. Hast du Lust, ein bisschen Schokolade mit mir zu naschen?“
„O ja!“
„Es tut mir leid, wenn ich vorhin ein wenig streng mit dir war. Du musst wissen, dass mir nichts ferner liegt, als mich zwischen dich und deinen Freund Bobby zu stellen. Sind wir wieder Freunde?“
„Ja, aber zuerst muss ich Pipi machen.“
„Okay, und danach könnten wir ein bisschen quatschen.“
Katharina sprang auf und rannte ins Badezimmer. „Mädchen können ihr Pipi nicht im Stehen machen, weil sie nichts zum Festhalten haben, sagt Basti. Stimmt das, Mathi?“, fragte sie, als sie wieder zurückkam.
„Ja, so in etwa. Mädchen sind anders gebaut als Jungen. Basti scheint lustig zu sein. Ist er so lustig wie Bobby?“
Katharina kicherte und nickte. „Bobby liebt Spiele.“
„Ich liebe auch Spiele. Möchtest du gern eins spielen?“
„Ich spiele bereits“, sagte Katharina leise.
Mathilda stutzte. „Und was spielst du?“
„Verstecken.“
„Brauchst du da nicht jemanden, der mitspielt?“, fragte Mathilda erstaunt.
Katharina schüttelte den Kopf. „Bobby hat sich auch hier in deinem Haus versteckt.“
Sie wurde hellhörig. „Wer hat sich hier versteckt, Kleines?“
„Na Bobby.“
„Und wo ist er? Wer ist Bobby, Kleines? Ich will verstehen, was hier vor sich geht. Hilf mir!“
„Ich kann nicht, Mathi. Ich kann nicht“, flüsterte das Mädchen.
„Ach, Kleines, schon gut. Alles wird gut.“
Plötzlich begann Katharina zu
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