EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
ihres Mannes. Er wurde von Pflegeeltern adoptiert, die mittlerweile auch verstorben sind.“
„Du kennst nicht zufällig ihren Mädchennamen?“, fragte van Cleef.
„Welchen?“
„Den der leiblichen Mutter.“
„Dazu bin ich noch nicht gekommen, aber es kostet mich nur einen Anruf.“ Hirschau nahm sein Handy und wählte eine Rufnummer. „Susannah, werfen Sie doch mal kurz einen Blick in die Krasinski-Akte.“ Er wartete einen Moment. „Nein, ich meine das Protokoll von 1971. Wird dort der Name der Mutter dieses Kindes erwähnt? Ja? Wie lautet er? Nicht? Schauen Sie doch mal im Computer unter dem Aktenzeichen der Kollmann-Akte nach. Ja, ich warte.“
Wenige Minuten später sah van Cleef, wie alle Farbe aus Hirschaus Gesicht wich.
„Danke, Susannah“, sagte er und legte auf.
„Und?“
„Ich habe nicht daran gedacht. Ich war wohl zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt. Wie konnte ich das nur übersehen?“, sagte er und schaute van Cleef entsetzt an.
Der wirkte sichtlich angespannt. „Was hast du übersehen, Robert? Nun sag schon!“
„Ihr Name war Kreiler, Mandy Kreiler. Sie ist Jörg Kreilers Mutter. Der Name des Kindes lautete damals Konstantin Jörg Kollmann.“
Van Cleef schlug mit der Hand auf den Tisch. „So eine Scheiße! Entschuldigung, ich bemächtige mich anscheinend schon Neumanns Vokabular. Ich hatte doch immer so ein Gefühl, dass mit Kreiler was nicht stimmt.“
„Aber ist er auch der Mörder? Er passt nicht ins Profil.“
„Da bin ich mir nicht sicher. Ich ahnte, dass mit ihm etwas faul ist. Aber ich habe ein Auge zugedrückt, weil er mit den Gavaldos befreundet ist. Wenn wir dem Richter deinen Bericht vortragen, bekommen wir auch nachträglich einen Durchsuchungsbeschluss. Ich werde sofort eine Hausdurchsuchung wegen Gefahr in Verzug veranlassen. Weiß er etwas über deine Ermittlungen?“
Hirschau schüttelte den Kopf. „Nein, ganz sicher nicht.“
„Gut, aber vorher möchte ich dich um etwas bitten. Es handelt sich um Kreilers Aufzeichnungen von Anna Gavaldos Sitzungen, die sie mir gegeben hat. Würdest du dort mal reinschauen?“
„Aber sicher. Das habe ich dir doch angeboten. Ich würde allerdings gerne Alexandra dabeihaben. Sie ist zurzeit in München.“
Van Cleef lächelte. „Okay. Ruf sie an. Ich sage Neumann Bescheid, er möchte im Besprechungsraum das Notwendige vorbereiten. Geh schon mal vor, ich komme gleich nach. Nein, warte! Meinst du wirklich, dass Krasinski noch lebt?“
„Keine Ahnung, aber ich habe aus dem Archiv etwas herausgebuddelt. Er hat vor fünfunddreißig Jahren eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Er hat seine Tochter gesucht. Also ist er damals tatsächlich nicht hingerichtet worden. Vielleicht lebt er heute noch. Die Jungs vom BKA versuchen seine Adresse herauszufinden.“
Kapitel 39
Aachen
Auf dem Weg zu Krasinski bog der Pole gegen Mitternacht am Hansemannplatz in die Monnheimsallee ein und fuhr am legendären Hotel Quellenhof vorbei. Nachdem er die Kreuzung überquert hatte, hielt er in der Ludwigsallee vor Krasinskis Haus. Die Straße verschwamm vor seinen Augen. Er war beinahe blind vor Hunger nach Krasinski.
Er rieb sich mit einer Hand den Nacken, um die Verspannung nach der langen Autofahrt zu lindern. Er hatte auf seiner Reise eine Blutspur von München über Italien und Istanbul bis zu diesem Haus gelegt; ein Rachefeldzug, wie Maryam Krasinski ihn auch geführt hatte, nur mit einem winzigen Unterschied: Er hatte getötet, weil es sein Job war.
Er schaute noch einmal in den Rückspiegel und sah im Schein der Straßenbeleuchtung die Schatten der Alleenbäume und den trotzigen Zug um seinen Mund. Er wollte seinem Großvater gefallen. Aber würde der ihn, den Enkel, überhaupt erkennen? Seine Nase war mindestens zweimal gebrochen worden, und eine breite Narbe verlieh seiner linken Augenbraue eine seltsame Krümmung. Schätzungsweise standen seine Chancen fünfzig zu fünfzig.
Er stieg aus und blickte zu dem alten Backsteinhaus mit den kleinen, gläsernen Schiebefenstern. Es hatte nicht den Anschein, als käme dadurch viel Luft herein, aber wenigstens standen sie offen. Er betrachtete die Haustür. Sie wäre ein Kinderspiel für jeden, der auch nur ein Minimum an einbrecherischen Fähigkeiten besaß. Er holte tief Luft und klingelte.
Die schwere Haustür wurde von einem alten Mann geöffnet, der ihn erstaunt von oben bis unten musterte. Der Pole zeigte zunächst keine Regung, bis er in die Augen des Alten schaute,
Weitere Kostenlose Bücher