Eiskalter Sommer
nieder. „Ich dachte immer, ihr jungen Leute duzt euch alle. Und besonders in diesem Fall ...“
„... wäre das sicher nicht angemessen“, unterbrach sie ihn. „Schließlich geht es hier um dienstliche Angelegenheiten. Und außerdem ...“
Er hob entschuldigend die Hände. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Marie. Also gut, dann kommen wir zum Dienstlichen. Welche Informationen hatte denn Herr Dorn für uns?“
Marie heftete ihren Blick auf den Notizblock, der vor ihr lag. „Er hat herausgefunden, dass Evers angeblich vorhatte, die Firma CuxFrisch zu übernehmen. Nicht er persönlich, sondern mit der gesamten Belegschaft. Wie das genau funktionieren sollte, wusste anscheinend noch keiner. Wahrscheinlich nicht einmal Evers selbst. Vielleicht war es nur eine spontane Idee, als er von der Schließung gehört hatte. Im Übrigen hat es tatsächlich Streit gegeben. Und Drohungen gegen Evers. Besonders durch einen gewissen Hannes Fedder. Der soll schon mal wegen Gewalttätigkeit mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sein.“
„Interessant.“ Röverkamp nickte. „In zweifacher Hinsicht. Zum einen scheint dieser Journalist ziemlich auf Draht zu sein. Das mit dem Fedder hätten wir bei unseren Gesprächen in der Firma eigentlich selbst herausfinden müssen. Auf jeden Fall müssen wir schauen, ob dieser Fedder was auf dem Kerbholz hat. Zum anderen finde ich es erstaunlich, dass Dorn diese Informationen an dich – ich meine: an uns – weitergibt. Hat er keine Gegenleistung verlangt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Er wollte eigentlich nur wissen, ob wir von einem Unfall ausgehen oder von Fremdverschulden.“
„Und was hast du ihm gesagt?“
„Wie wir es besprochen hatten – dass wir in alle Richtungen ermitteln, aber noch keinen konkreten Verdacht haben.“
„Sehr gut, Marie. Dabei sollten wir auch so lange wie möglich bleiben. Kannst du es übernehmen, mal ins Strafregister von diesem Fedder zu schauen? Und dann nehmen wir uns den Herrn zur Brust.“
„Selbstverständlich.“ Marie zog die Computertastatur zu sich heran. Doch dann hielt sie inne. „Was wollte eigentlich Staatsanwalt Krebsfänger?“
„Dasselbe wie dein Besucher. Einzelheiten zum Fall Evers. Außerdem zu dem Toten vom Dünenweg in Duhnen. Und ob wir schon etwas Konkretes in der Hand haben. Und ein bisschen angeben. Weil er doch für die Einführung neuer Organisationsabläufe seiner Behörde verantwortlich ist. Hat mir einen Haufen klangvoller Begriffe an den Kopf geworfen. Justizmanagement, Benchmarking, Budgetierung, Kosten-Leistungsrechnung und was weiß ich noch alles.“
Marie lachte. „Hat er dir auch erklärt, was das alles bedeutet?“
Er winkte ab. „Gegen diese Art Wichtigtuerei bin ich allergisch.“
„Da haben wir ihn schon.“ Marie hatte nebenbei den Namen in die Suchmaske der Fahndungsdatei eingegeben. „Fedder, Hannes, geboren am 22.10.1948 in Cuxhaven. Wohnhaft in Cuxhaven-Altenbruch. Leider ist das Delikt nicht mehr verzeichnet.“
„Also keine allzu schwerwiegende Tat“, murmelte Röverkamp. „Oder eine, die länger zurückliegt. Kümmerst du dich darum?“
„Natürlich. Wenn in unserer Aktenhaltung auch nichts mehr vorliegt, frage ich beim LKA nach. Oder bei Krebsfänger. Die müssen ihre Akten immerhin zehn Jahre aufbewahren. Da kann er gleich zeigen, wie gut sein neues Organisationsmodell funktioniert.“
„Gut.“ Er erhob sich. „Während du nach der Akte Fedder fahndest, gehe ich zu den Kollegen der Kriminaltechnik. Mal sehen, ob sie verwertbare Spuren gefunden haben. – Wollen wir nachher zusammen eine Kleinigkeit essen? Ich habe das Bedürfnis, diesen aufgeheizten Kasten heute möglichst früh zu verlassen. Bei dem schönen Wetter könnten wir ...“
Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, Konrad. Aber ich bin schon verabredet.“
Er stutzte. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Kriminaloberrat Christiansen begrüßt es sehr, wenn die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Presse gut funktioniert.“
Ehe Marie reagieren konnte, war er durch die Tür verschwunden.
Sie stützte das Gesicht in die Hände und richtete den Blick in die Ferne. War sie so leicht zu durchschauen? Und war es nicht ein Fehler, sich mit Felix Dorn zu verabreden? Eigentlich hatte sie seinen Vorschlag zu einem gemeinsamen Abendessen ablehnen wollen. Eigentlich wollte sie sich gar nicht mehr mit Männern verabreden. Seit jenem beinahe tödlichen Abenteuer ... Aber sie hatte Ja gesagt.
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