Eiskalter Sommer
was Passendes. Wenn du mich mitnimmst, zeige ich dir den kürzesten Weg.“
„Und dein Roller?“
„Den lasse ich hier stehen und hole ihn heute Abend wieder ab. Oder nachher. Falls wir noch mal herkommen.“
Während er den Wagen in Richtung Zentrum in Bewegung setzte, berichtete Marie, was sie über CuxFrisch in der Zeitung gelesen und darüber hinaus vom Geschäftsführer in Erfahrung gebracht hatte.
„Das ist ja unglaublich“, kommentierte ihr Kollege. „Da werden Leute entlassen, obwohl das Unternehmen expandiert. Jetzt fangen die Kleinen auch schon so an wie die großen Konzerne. Was nicht genug Profit abwirft, wird abgestoßen oder platt gemacht. Erinnert mich an Siemens und BenQ.“
Marie bat ihn, sich links einzuordnen. „Vielleicht hängt der Fall Evers ja mit der Betriebsschließung zusammen. Gestern erfährt die Belegschaft, dass die Firma dichtgemacht wird, und heute ist der Betriebsratsvorsitzende tot. Das kann doch kaum Zufall sein.“
„Da vorne links?“ Er zeigte auf die Ampel vor ihnen.
Marie nickte. „Wir fahren zur Lehmkuhle. Da finden wir um diese Zeit einen Parkplatz. Von da aus sind es nur noch ein paar Schritte.“
„Wenn die Betroffenen den Firmenchef ins Kühlhaus gesperrt hätten, könnte ich das ja noch verstehen. Aber ausgerechnet einen Betriebsrat? Der sitzt doch mit der Belegschaft in einem Boot.“
„In diesem Fall nicht unbedingt. Dieser Brütt hat angedeutet, dass Evers in die Tiefkühlsparte übernommen werden sollte. Damit wäre er der einzige Mitarbeiter, der nicht entlassen werden sollte. Vielleicht hat er mit der Firmenleitung irgendeinen Deal gemacht. Zustimmung zur Betriebsschließung gegen den neuen Job. Oder so ähnlich.“
„Und du meinst, das hat einer der von Entlassung bedrohten Kollegen herausbekommen und ihn deswegen umgebracht?“
„Vielleicht wollte er ihm nur einen Denkzettel verpassen. Und irgendwelche Umstände haben ihn daran gehindert, die Sache rechtzeitig abzubrechen.“
Röverkamp rangierte den Wagen in eine Parklücke und stellte den Motor ab. „Das klingt einleuchtend. Es würde bedeuten, dass wir uns in der Belegschaft umhören müssen.“
„Das sollten wir sowieso tun. Es sei denn, wir kommen zu dem Schluss, dass keine Fremdeinwirkung vorgelegen hat. Aber damit ist ja wohl nicht zu rechnen.“
Das Café am Penzancer Platz befand sich in der zweiten Etage über einem Bäckereigeschäft. Sie stiegen eine schmale und steile Treppe hinauf, und Röverkamp rechnete mit einem engen, dunklen Raum. Überrascht sah er sich um. Der halbrunde Raum besaß eine hohe, durchgehende Fensterfront mit auf halber Höhe gerafften Gardinen, die viel Licht hereinließen. Polierte Kirschholzmöbel sorgten für eine gediegene Atmosphäre. Die gepolsterten Stühle mit ihren geschwungenen Lehnen wirkten bequem und einladend. Der Anblick erinnerte ihn an ein Wiener Kaffeehaus. Es waren nur wenige Gäste anwesend, so dass sie sich an einem Fensterplatz niederlassen konnten, der den Blick in die Nordersteinstraße und hinüber zum neuen Parkhaus am Holstenplatz erlaubte.
„Kannst du was empfehlen?“, fragte Röverkamp und blätterte in der Karte.
Marie nickte. „Chocolattino. Heiße Schokolade mit Espresso und Milchschaum.“
„Klingt lecker.“ Er ließ seine Zunge über die Lippen wandern. „Zwei Chocolattino und ein Frühstück bitte.“ Seine Bestellung schien die Bedienung zu irritieren. Wahrscheinlich hatte sie in diesen Tagen ausschließlich Eisbecher zu servieren. „Ich brauche etwas zum Aufwärmen“, wollte er hinzufügen, besann sich aber eines anderen. Damit hätte er erst recht Erklärungsbedarf verursacht.
„Warum sollte ich bei diesem Rodriguez nicht weiter bohren?“, nahm Marie den Faden wieder auf. „Ich hatte das Gefühl, dass er mit der ganzen Wahrheit nicht herauswollte.“
„Genau deshalb. Er hatte sich vorgenommen, uns dazu nichts zu sagen und war dabei, sich zu verschließen wie eine Auster. Vielleicht hat er dafür Gründe. Wenn wir die herausbekommen wollen, müssen wir aus anderer Quelle erst mal in Erfahrung bringen, was da los war. Mit diesem Wissen können wir vielleicht einschätzen, was ihn so wortkarg gemacht hat.“
„Und ihn uns dann noch einmal vornehmen?“
„Genau. Sein Verhalten würde übrigens zu deiner Theorie passen, wonach ein Arbeitskollege für die Tat in Frage kommt. Möglicherweise hat Rodriguez einen Verdacht, möchte aber seinen Kollegen nichts anhängen.“
Während die Bedienung
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