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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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rannte wieder zum Wagen und erklomm das Fahrerhaus. Heftig atmend ließ er den Motor an und kurbelte die Scheibe herunter, um die laue Nachtluft hereinzulassen. Als er langsam durch die spärlich erleuchtete Strandstraße rollte, begegnete er doch noch Menschen. Kleine Gruppen, die sich lautstark über eine Veranstaltung in der Kugelbake-Halle unterhielten und wohl ihren Ferienwohnungen zustrebten. Niemand nahm Notiz von dem Kastenwagen, dessen Beschriftung auf das Cuxhavener Unternehmen CuxFrisch hinwies.
    Am Tourismusbüro bog er links ab in den Döser Feldweg und beschleunigte. Dabei hatte er den Eindruck, dass es im Laderaum polterte. Ja, er hatte richtig gehört. Sein Passagier hämmerte gegen die Wand. Ein Lächeln umspielte den Mund des Fahrers. Da kann er lange klopfen.
    Als er die Ampelkreuzung an der Altenwalder Chaussee erreichte, war das Hämmern in ein rhythmisches Schlagen übergegangen. Und es wurde lauter. Ob es bis in das Innere anderer Fahrzeuge dringen würde? Der Fahrer des Tiefkühl-Transporters stieß einen Fluch aus und trommelte ungeduldig aufs Lenkrad, während er auf die Grünphase wartete. Sollte Jensen ein Werkzeug oder einen anderen festen Gegenstand gefunden haben, mit dem er versuchte, die Verriegelung der Hecktür aufzubrechen?
    Die Sackkarre! Er hatte die Sackkarre in den Laderaum geworfen, statt sie an der vorgesehenen Halterung unter dem Heck zu befestigen. Vor seinem inneren Auge hob Jensen das stählerne Gestell über den Kopf und ließ es gegen die Tür des Laderaumes krachen.
    Er ärgerte sich. Darüber, dass er diese Möglichkeit nicht bedacht hatte.
    Mit durchgetretenem Gaspedal beschleunigte er den Transporter auf achtzig Stundenkilometer, um dann voll auf die Bremse zu treten. Die Schlaggeräusche brachen ab, im Laderaum polterte es dumpf. Die Vorstellung von dem, was sich hinter ihm abspielte, ließ ihn auflachen. Trotzdem blieb er unruhig. Er änderte seinen Plan. Zwar hatte er im weitläufigen Gelände der Überseehäfen in Bremerhaven ein unauffälliges Versteck für den Kühltransporter ausgekundschaftet, doch erschien ihm angesichts des randalierenden Kochs im Laderaum der Weg dorthin zu weit. Kurz entschlossen bog er in Richtung Altenbruch ab. In der Heerstraße gab es Gehöfte und abgeschiedene Häuser. Da würde sich auch ein Abstellplatz finden lassen, der nicht so schnell entdeckt werden konnte.
    Schon nach einigen hundert Metern fand er eine abseits gelegene Scheune, die für seine Zwecke geeignet war. Rückwärts rangierte er den Wagen vor das Gebäude und ließ ihn mit der Hecktür gegen die Mauer rollen.
    Er zog den Zündschlüssel ab, verließ die Fahrerkabine und umrundete das Fahrzeug. Hohe Bäume schirmten das Gelände gegen den Lichtschein von Mond und Sternen ab Nun würde es für seinen Gefangenen kein Entkommen mehr geben. Die Türen waren blockiert.
    Um sicher zu gehen, dass der Lkw auch bei einer – höchst unwahrscheinlichen vorzeitigen Entdeckung nicht ohne Weiteres aus seiner Position gerollt werden konnte, öffnete er die Ventile an allen Reifen. Als die Luft zischend entwich und sich der Transporter auf die Felgen senkte, verflog der Ärger über seine Unachtsamkeit.
    Er warf die Ventile ins Gebüsch und machte sich auf den Weg. Altenwalde war in einem halbstündigen Fußmarsch zu erreichen. Dort würde er auf den Morgen warten und dann den Bus in die Stadt nehmen. Das Brummen des Kühlgenerators wurde ebenso wie das dumpfe Poltern aus dem Innenraum mit jedem Schritt leiser, um den er sich vom Versteck des Kühlwagens entfernte.

9
    „Wie war dein Abend?“, fragte Röverkamp gleich nach der Begrüßung. Marie war nicht darauf gefasst gewesen und kam ins Schwimmen. „Gut. Ich meine, ganz nett. Bei Giancarlo im Biergarten ... es war ziemlich voll und ... na ja, ganz nett eben.“ Sie sah in Röverkamps Augen, erkannte sein ehrliches Interesse und die Enttäuschung über ihre Ausflüchte. Für einen Augenblick hielt sie inne, schloss die Augen und entschied sich, nicht zu lügen. Dann brach es aus ihr heraus. „Ich glaube, ich habe alles vermasselt.“ Und die Erinnerung trieb ihr die Tränen in die Augen.
    „Erzähl!“, forderte ihr Kollege sie auf, setzte sich ihr gegenüber und sah sie aufmerksam an.
    Marie schluckte an einem Kloß, der sich in ihrem Hals festgesetzt hatte. „Es war wirklich nett, Konrad. Jedenfalls am Anfang. Felix ... ich meine Herr Dorn ... war sehr charmant, sehr höflich und ein aufmerksamer Zuhörer. Und er kann

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