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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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zunächst daran vorbeigefahren war. Doch das Restaurant hatte geschlossen. Dienstag Ruhetag. Enttäuscht wandte Röverkamp sich ab. Die mittägliche Hitze hatte ihn beim Öffnen der Wagentür wie die Luft aus einem Backofen überfallen. Nun ließ der Gedanke an ein frisch gezapftes Pils seine Zunge am Gaumen kleben.
    Suchend sah er sich um.
    Am Deichweg wiesen Schilder in alle Richtungen auf Gaststätten hin. Er ließ den Wagen stehen und folgte dem Hinweis zum Ankerstübchen, indem er schwitzend die Deichkrone erklomm. Der Ausblick überraschte ihn. Vor ihm breitete sich tiefgrünes Deichvorland aus, links erkannte er den Leuchtturm Obereversand. Geradeaus, hinter der in der Sonne glitzernden Nordsee entdeckte er Konturen der Küste jenseits der Wesermündung, rechts ragten die Masten der Krabbenkutter von Spieka-Neufeld aus den Marschwiesen hervor. Und vor ihm lag ein eine Art Goldgräberstadt. Ein Campingplatz mit Zelten, Wohnwagen und Mobilheimen in allen Farben und Formen, der sich bis zum Sommerdeich vor der Wasserkante erstreckte.
    Zur Gaststätte waren noch etliche Schritte zu gehen. Röverkamp zögerte, doch dann verzichtete er darauf, den Wagen zu holen, und machte sich zu Fuß auf den Weg.
    Das Ankerstübchen erwies sich als Containerrestaurant, das offenbar nur für die Sommersaison aufgebaut wurde. Röverkamp ließ sich auf der einladend weiß und blau gestrichenen hölzernen Terrasse unter einem blauen Sonnenschirm nieder, genoss die leichte Brise, die vom Wasser her wehte und die Hitze ein wenig milderte, und bestellte ein Bier.
    Das kühle Getränk erschien ihm als das beste, das er seit langem getrunken hatte; und nachdem er das erste Glas in einem Zug geleert hatte, bestellte er ein zweites. Dazu – ohne die Speisekarte zu beachten – Matjes mit Bratkartoffeln. Die üppige Portion, die er am Nachbartisch gesehen hatte, erschien ihm gerade angemessen für seinen Appetit.
    Während sein Blick über die Zelte und Wohnwagen des Campingplatzes streifte, spürte Röverkamp, wie ihm das Bier zu Kopfe stieg und sich in seinem Körper ein angenehmes Gefühl der Entspannung ausbreitete. Um ihn herum herrschte heiteres Urlaubsgeplänkel; auf dem Weg vor ihm spielten Kinder fröhlich mit Matchboxautos, malten Straßen auf den Untergrund und erfanden neue Verkehrsregeln. Die seltsam irreale Urlaubswelt, in die er sich unerwartet versetzt sah, erfasste ihn und gab ihm das Gefühl, sich in einem Film über die Schönheiten der Nordseeküste zu befinden, in dem er Darsteller und Zuschauer zugleich war.
    Nach dem Essen genehmigte er sich ein weiteres Bier und einen Aquavit. Wärme und Alkohol machten ihn schläfrig. Röverkamp sog die milde Seeluft ein, schloss die Augen und lauschte dem Gemisch aus Brandungsrauschen, Urlauberstimmen und Kinderlachen. Und plötzlich wünschte er sich , er könne bis in alle Ewigkeit so sitzen bleiben und die Seele baumeln lassen.

    *

    „Was machen wir jetzt?“ Jan spürte, wie sich das Gefühl der Panik in ihm ausbreitete. Er hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Wir müssen doch irgendwas tun. Susanne ... ihr Vater ... Ich meine, wir können doch nicht ... Er deutete in Richtung Stall und hob resigniert die Schultern.“
    Hendrik schien zu spüren, was in Jan vorging. „Bauer Clasen ist nicht mehr zu helfen. Mach dich deswegen nicht verrückt. Wir können nichts dafür, für den Schneesturm genauso wenig wie für das Feuer. Erst recht nicht dafür, dass er da reingegangen ist. Das ist Schicksal.“
    „Aber was ist mit Susanne?“
    Jan stellte die Frage, die auch Hendrik bewegte. Sie mussten dem Mädchen helfen, es brauchte offensichtlich dringend einen Arzt. „Wir machen es mit dem Trecker. So hoch kann der Schnee doch gar nicht sein, dass der nicht durchkommt.“
    „Wer ist wir?“ Hendrik und Jan drehten sich um. Sven stand in der Tür und rieb die rot gefrorenen Hände gegeneinander. „Selbst wenn wir den Hanomag in Gang kriegen, wird es schwierig mit vier Leuten. Außerdem sollte einer hierbleiben. Wegen des Feuers. Damit das Wohnhaus nicht auch noch abbrennt.“
    „Ich bleibe in jedem Fall bei Susanne“, erklärte Jan kategorisch. „Egal, ob hier oder auf dem Trecker.“
    Hendrik und Sven sahen sich an. „Dann bleibt einer von uns hier“, erklärte Hendrik schließlich und ging auf Sven zu. „Komm, wir den Hanomag zu starten.“ Er drehte sich zu Jan um und deutete mit einer Kopfbewegung auf Susanne. „Du kannst dich um sie kümmern.“
    Als

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