Eiskalter Sommer
Bote musste ihn direkt in den Hausbriefkasten geworfen haben.
Hastig riss er den Umschlag auf und schüttelte den Inhalt heraus. Als er das Zeitungspapier sah, wusste er, um welchen Artikel es sich handelte. Und dass es Probleme geben würde. Irgendjemand wollte ihn wissen lassen, dass er seine Verbindung zu Evers und Jensen kannte.
Ostendorff drehte Umschlag und Zeitungsausschnitt hin und her, fand aber keinen Hinweis auf den Absender. Sein Herzschlag beschleunigte sich und der Schweiß begann, an seinem Körper zu rinnen. Die Ohnmacht dem anonymen Briefsender gegenüber machte ihn wütend, zugleich spürte er Angst. Was immer der Unbekannte im Schilde führte, bedrohte seine Karriere, möglicherweise auch seine Familie, vielleicht sogar seine Existenz.
Bei diesem Gedanken erinnerte er sich der Anfeindungen, denen er im Laufe seiner Jahre als Abgeordneter ausgesetzt gewesen war. Hatte er nicht alle ohne Schaden überstanden? Er würde sich zu wehren wissen. Notfalls mit der Waffe. Seit er vor einigen Jahren von wütenden Krabbenfischern bedroht worden war, besaß er eine Pistole. Und einen Waffenschein. Also konnte er im Notfall davon Gebrauch machen. Außerdem würde er einen zweiten Hund anschaffen. Einen richtigen Wachhund. Skipper war viel zu gutmütig, um Fremde daran zu hindern, sich auf das Grundstück oder gar ins Haus zu schleichen.
„Wolltest du nicht duschen?“ Seine Frau steckte den Kopf durch die Tür. „Ich habe ein paar Kanapees vorbereitet.“
Ostendorff knüllte den Zeitungsartikel in der Hand zusammen. „Ja, sofort.“ Er schob sich an seiner Frau vorbei und eilte die Treppe hinauf ins Obergeschoss, wo sich Bad und Schlafzimmer befanden. „Es dauert nur drei Minuten!“, rief er über die Schulter und knöpfte bereits das Hemd auf. „Dann bin ich soweit.“ Bevor er sich unter die Dusche stellte, spülte er das Papierknäuel in der Toilette hinunter.
Obwohl das Wasser nur lauwarm gewesen war, fühlte Ostendorff Schweißperlen auf der Stirn, als er sich auf der Terrasse in einen Korbsessel fallen ließ. „Diese Hitze ist wirklich unerträglich“, stöhnte er und griff nach der Bierflasche, die seine Frau vor ihn hingestellt hatte. Er füllte ein Glas und stürzte die schäumende Flüssigkeit hinunter. „Bring gleich noch eine Flasche mit“, stieß er zwischendurch hervor. „Das Zeug verdampft auf der Stelle.“
Seine Frau hob zwar leicht die Brauen, verkniff sich aber einen Kommentar und verschwand in Richtung Küche.
In diesem Augenblick klingelte im Haus das Telefon. Christine Ostendorff kehrte mit dem Apparat in der Hand zurück und hielt die Sprechmuschel zu. „Da ist jemand, der dich sprechen will. Ein gewisser Jens Evers. Möchtest du das Gespräch annehmen? Oder soll ich sagen, dass er dich morgen ...“
Ostendorff streckte die Hand aus. „Gib her! Ich erledige das gleich.“
Sie reichte ihm das Telefon. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“, zischte er, nachdem seine Frau im Haus verschwunden war. „Der Name, den Sie meiner Frau genannt haben, ist doch wohl ...“
„... falsch.“ Der Anrufer lachte heiser. „Sie haben es erfasst. Andererseits – so falsch nun auch wieder nicht. Jensen und Evers – das sagt Ihnen doch etwas, nicht wahr?“
Ostendorff spürte nun den Schweiß auch im Nacken. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Und ich werde das Gespräch jetzt beenden.“
Erneut erklang ein heiseres Lachen. „Tun Sie, was Sie für richtig halten. Ich tu’s auch. Wir sprechen uns wieder.“
Der Anrufer hatte aufgelegt, und Ostendorff starrte auf das Telefon in seiner Hand.
Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme seiner Frau, die mit einem Tablett in der Terrassentür stehen geblieben war.
„Was ist los? Ist dir nicht gut?“
*
Im ersten Augenblick erschrak Sabine Cordes, als sie auf der Treppe zu Ihrer Wohnung jemanden sitzen sah. Dann erkannte sie den Mann. Ein angenehmes Gefühl durchströmte sie, als ihre Verblüffung von der Freude verdrängt wurde, den Abend mit dem Menschen zu verbringen, den sie sich vor wenig mehr als einer Stunde herbeigesehnt hatte.
„Konrad! Das ist aber eine Überraschung! Mit dir habe ich nicht gerechnet. Allerdings hatte ich mir gerade vorgenommen, dich anzurufen.“
„Ich freue mich, dass ich dir zuvorgekommen bin.“ Röverkamp war aufgesprungen und schloss sie in die Arme. „Und ich freue mich noch viel mehr, dich zu sehen.“
Da er eine Stufe höher stand, wären sie beinah ins Straucheln gekommen. „Ich
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