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Eiskalter Wahnsinn

Eiskalter Wahnsinn

Titel: Eiskalter Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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Muskeln taten ihr weh. Sie wand sich, um ihr Gesicht zu erreichen, und strich sich die Haare vom Mund. An Augen und Mundwinkeln war ihre Haut bereits ausgetrocknet. Offenbar hatte sie weder Tränen- noch Speichelflüssigkeit mehr. War es möglich, dass man vom Weinen austrocknete?
    Sie spürte, wie sie sich unter seiner Musterung vor Angst verkrampfte. Der Magen begann ihr zu knurren und machte ihr bewusst, dass sie tatsächlich Hunger hatte.
    „Wie spät ist es?“ Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Wenn sie nicht in Panik geriet, wirkte das vielleicht auch besänftigend auf diesen Wahnsinnigen.
    „Erzähl mir von deiner Krankheit, von deinem Hormonmangel.“
    „Wie bitte?“
    „Du weißt schon, der Hormonmangel. Um welches Hormon handelt es sich?“
    „Ich weiß nicht genau, wovon du sprichst“, log sie und wusste genau, was er meinte. Sie hatte ihm erzählt, sie kämpfe wegen eines Hormonmangels ständig mit ihrem Gewicht und sei deshalb dauernd auf Diät. Das war eine verschämte Ausrede gewesen, weil sie nicht zugeben mochte, dass ihr Gewichtsproblem eher einem Mangel an Selbstdisziplin entsprang. Du lieber Gott, in was hatte sie sich durch ihre Lüge bloß hineinmanövriert? Sie ließ den Blick umherschweifen, bis er auf den Schädeln über ihr haften blieb. War es das, was Sonny von ihr haben wollte?
    „Erzähl mir, welche Drüse da betroffen ist? Die Hirnanhangdrüse oder die Schilddrüse?“ fuhr er in sanftem Singsang fort, als müsse er sie ermutigen, es ihm mitzuteilen. „Kennst du das Hormon, das dich fett macht? Nein, ich glaube, es ist eher der Mangel des Hormons, richtig? Du hast mir davon erzählt, erinnerst du dich? Ich glaube, du hast gesagt, es war die Schilddrüse, aber ich weiß es nicht mehr genau. War es die Schilddrüse?“
    Sie blickte über seine Schulter hinweg auf die Gläser, die auf den Regalen aufgereiht waren. Sie hatten unterschiedliche Formen und Größen: Einweck- und Gurkengläser, von denen das Etikett abgekratzt und mit neuen überklebt worden war. Aus der Ferne erkannte sie die Inhalte nur als Klumpen. Da sie die vermeintlichen Quallen jedoch als Brustimplantate identifiziert hatte, war sie inzwischen überzeugt, dass die Gläser Teile der menschlichen Anatomie enthielten. Und er fragte jetzt nach ihrer Schilddrüse? Allmächtiger. Hatte er nur Interesse an ihr gezeigt, weil er schon ein Glas für ihre Schilddrüse bereithielt?
    „Ich weiß nicht“, gelang es ihr zu erwidern, obwohl Angst ihr fast die Kehle zuschnürte. „Ich meine, die Ärzte wissen es nicht.“ Die Lippen bebten ihr. Sie zog sich die Bettdecke so gut es ging bis über die Schultern, als zittere sie vor Kälte und nicht aus Angst.
    „Aber ich glaube, du hast gesagt, es sei die Schilddrüse.“ Er klang jetzt wie ein kleiner, schmollender Junge.
    „Nein, nein, es ist nicht die Schilddrüse. Keinesfalls.“ Sie bemühte sich, Überzeugungskraft in ihre Stimme zu legen. „Genau genommen war es sogar so, dass sie die Schilddrüse vollkommen ausgeschlossen haben. Weißt du, es war vielleicht nur mangelnde Selbstbeherrschung.“
    „Mangelnde Selbstbeherrschung?“
    Er zog die Stirn in Falten – verwundert, nicht zornig – und dachte nach. Vielleicht lag es an der Beleuchtung durch das bläulich fluoreszierende Aquariumlicht, aber Sonny kam ihr wirklich wie ein kleiner Junge vor, wozu auch seine Körperhaltung beitrug: Schneidersitz, ein Bein untergeschlagen, die Hände im Schoß. Er hatte die Lider vor Erschöpfung leicht gesenkt, und das Haar stand ihm wirr ab, als wäre er soeben aufgestanden.
    Vielleicht fragte er sich gerade, wie er ihre Selbstdisziplin oder besser den Mangel derselben in ein Glas packen konnte. Würde er versuchen, eine andere Lösung zu finden? Dann sah sie Metall aufblitzen, und ihr Magen schlug regelrecht einen Purzelbaum. In seinen gefalteten Händen, die ruhig im Schoß lagen, hielt er etwas, das aussah wie ein Entbeinungsmesser.
    Sie spannte die Muskeln an und ließ den Blick suchend durch den Raum laufen. Aus der Magengegend schien Panik aufzusteigen, die sich als Schrei ihrer engen Kehle entringen wollte.
    Er war wegen ihrer Schilddrüse gekommen. Er hatte vorgehabt, sie ihr herauszuschneiden! Würde er sich die Mühe machen, sie vorher zu töten? Oh lieber Gott!
    Plötzlich sagte er: „Ich fand dich eigentlich nicht fett.“ Er sah auf seine Hände nieder, hob den Blick und lächelte sie an, scheu und jungenhaft. Jetzt war er wieder der Mann, den sie kennen gelernt

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