Eiskalter Wahnsinn
Kosmetika und Scheckbuch? Sag du es mir, Gwen. Ist sie der Typ, der auf so etwas eingehen würde?“
Stille am anderen Ende der Leitung. Maggie nutzte die Zeit, um das Foto genauer zu betrachten, leicht verärgert, dass Gwen Informationen zurückhielt. Der Fotograf hatte Joan Begley offenbar bei der Arbeit unterbrochen. Sie blickte jedenfalls von einer ihrer Metallskulpturen auf. Das Visier ihres Gesichtsschutzes war hochgeschoben, und man schaute in ernste braune Augen in einem Gesicht mit weißer porzellanartiger Haut. Im Hintergrund waren gerahmte Drucke zu erkennen. Grelle Farbkleckse in Rot, Orange und Königsblau. Hübsche Farbexplosionen mit schwarzen Streifen und Spritzern in der Mitte. Und in der Reflexion des Glases konnte Maggie fast noch jemanden erkennen. Irgendwie witzig. Das Porträt einer Künstlerin mit dem Selbstporträt des Fotografen.
„Nein“, erwiderte Gwen endlich. „Sie ist nicht der Typ, der einfach abhauen und alles zurücklassen würde. Nein, ich glaube nicht, dass sie sich dazu überreden ließe.“
„Ich brauche deine Hilfe, Gwen.“ Sie machte eine Pause, um sicherzugehen, dass die Freundin ihr aufmerksam zuhörte. „Das ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, Informationen zurückzuhalten, auch wenn sie eigentlich deiner Schweigepflicht unterliegen.“
„Nein, natürlich nicht. Ich würde mich auch nicht darauf berufen. Nicht, wenn ich Informationen hätte, die helfen könnten, sie zu finden.“
„Du hast gesagt, du hättest eine E-Mail von ihr bekommen, in der sie den Mann erwähnt, mit dem sie sich treffen wollte. Sie nannte ihn wohl Sonny, ist das richtig?
„Ja, das stimmt.“
„Kannst du die E-Mail an mich weiterleiten?“
„Klar. Mache ich gleich im Anschluss an unser Telefonat.“
„Ich habe vorhin mit Tully gesprochen. Er will versuchen, in Joans Apartment zu kommen.“
„Kann er das?“
„Sie ist lange genug verschwunden für eine Vermisstenanzeige. Ich möchte, dass er ihre Wohnung überprüft. Vielleicht steht ihr Computer dort, und er kann sich ihre E-Mails ansehen. Wir müssen versuchen, mehr über diesen Sonny herauszufinden. Wenn möglich, will Tully heute noch hin. Könntest du ihn vielleicht begleiten?“
Wieder Schweigen. Maggie wartete. Hatte Gwen sie überhaupt gehört, oder empfand sie diese Bitte als Zumutung?
„Ja“, erwiderte sie schließlich entschlossen. „Das kann ich machen.“
„Gwen, noch etwas.“ Maggie ließ den Blick wieder über das Foto schweifen. „Hat Joan jemals einen Mann namens Marley erwähnt?“
„Marley? Nein, ich glaube nicht.“
„Okay. Das wollte ich nur nachprüfen. Ruf mich an, wenn dir noch etwas einfällt.
„Maggie?“
Ja?“
„Danke.“
„Danke mir, wenn ich sie finde. Wir sprechen später noch mal miteinander, okay?“
Sie hatte das Telefon kaum abgeschaltet, als es auch schon wieder klingelte. Sicher hatte Gwen etwas vergessen.
„Ist dir noch etwas eingefallen?“ fragte sie anstelle einer Begrüßung.
„Agentin O’Dell, warum zum Teufel sehe ich Sie im Fernsehen?“
Es war nicht Gwen, sondern ihr Boss, der stellvertretende Direktor Cunningham. Verflixt. Aufgeflogen.
„Guten Morgen, Sir.“
„Die sprachen da von einem Steinbruch in Connecticut. Ich denke, Sie wollten in Ihrem Garten arbeiten. Und da entdecke ich Sie als Profilerin bei einem Fall in Connecticut? Ein Fall, den ich Ihnen meines Wissens nicht zugeteilt habe?“
„Ich bin aus persönlichen Gründen hier, Sir. Sheriff Watermeier hat gestern irrtümlich verkündet, dass ich als Profilerin an dem Fall arbeite.“
„Ach wirklich? Irrtümlich? Aber Sie waren doch dort am Fundort im Steinbruch.“
„Ja, ich war vorbeigefahren, um zu prüfen …“
„Sie kamen einfach so am Tatort vorbei? O’Dell, das ist nicht das erste Mal, dass Sie einfach so an einem Tatort vorbeikamen, allerdings sollte es besser das letzte Mal sein! Haben Sie mich verstanden?“
„Ja, Sir. Aber die brauchen hier tatsächlich einen Profiler. Dieser Fall hier hat alle Anzeichen eines Senen…
„Dann sollen die sich einen besorgen. Vielleicht hat ihr örtliches FBI-Büro einen zur Verfügung.“
„Ich bin bereits vertraut mit…“
„Ich glaube, Sie haben Urlaub, Agentin O’Dell. Wenn Sie Persönliches dort zu erledigen haben, ist das Ihre Sache. Aber ich möchte Sie nicht noch einmal im Fernsehen entdecken. Haben Sie mich verstanden?“
„Ja, Sir, ich habe verstanden.“ Und schon ertönte das Freizeichen.
Verdammt.
Sie durchquerte
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