Eiskalter Wahnsinn
essen mag. Das ist doch Abfall.“ Er drehte das Glas allmählich, damit sie den Inhalt von allen Seiten bewundern konnte. „Siehst du, diese Verfärbungen kommen vom Alkohol.“
Er stand auf und stellte das Glas auf eines der oberen Regale zurück. Joan hoffte, die Präsentation sei beendet. Sonny kam zurück und blieb neben dem Tablett stehen.
Oh Gott, sie würde es nicht ertragen, wenn er sie noch einmal zwangsernährte. Einen weiteren Löffel Suppe würde sie nicht überleben.
Ihr Essen interessierte ihn jedoch nicht. Er nahm eine braune Papiertüte auf, die er mit dem Tablett hereingebracht hatte, setzte sich wieder auf die Bettkante und holte ein Glas aus der Tüte. Es sah wie ein gewöhnliches Marmeladenglas aus. Der Inhalt war jedoch keineswegs Marmelade, sondern eine klare Flüssigkeit wie bei den anderen Behältern, und darin schwamm etwas.
„Das ist meine neueste Errungenschaft“, verkündete er und drehte das Glas vor ihren Augen. Dann hielt er es ihr so nah vor das Gesicht, dass sie dem Anblick von zwei schwimmenden Augäpfeln mit blauer Iris nicht ausweichen konnte.
„Erstaunlich, dass diese schönen Augen nur mit richtig dicken Brillengläsern etwas sehen konnten.“
53. KAPITEL
Es war nach Mitternacht.
Er warf den Wischmopp in die Ecke und wurde nur noch wütender, als das eine Lawine herabpurzelnder Gartengeräte auslöste. Er entleerte den Eimer in den Bodenabfluss und hielt den Atem an, während er das Erbrochene besprühte. Gelbe schleimige Klumpen, ein Anblick, den er aus seiner Kindheit nur zu gut kannte, als ständig ein Eimer neben seinem Bett gestanden hatte. Er war es leid, dass sie sich dauernd übergab.
Ja, er hatte das so gewollt. Ihr sollte schlecht werden, sie sollte sich elend fühlen, damit sie merkte, dass er sie absolut beherrschte. Er hatte es so gewollt, und zugleich widerte es ihn an. Er hätte sie zwingen sollen, die eigene Sauerei wegzumachen, so wie seine Mutter mit ihm verfahren war.
Er müsste sich jetzt stark und mächtig fühlen, besonders nach seiner neuesten Errungenschaft. Stattdessen hatte er Magenschmerzen, obwohl er schon eine halbe Flasche von dem kalkigen Zeug geschluckt hatte. Diese dämliche, so genannte Medizin sollte die Übelkeit unterbinden, und er verließ sich auf die Wirkung. Warum funktionierte es heute nicht? Warum arbeitete alles und jeder gegen ihn?
Er wollte, dass Joan Begley seine Dominanz anerkannte, deshalb musste sie schwach und hilflos werden. So hatte seine Mutter das jahrelang bei ihm geschafft. Zuerst hatte sie seinen Vater beherrscht und dann ihn. Warum schaffte er das nicht? Und er hasste diese Sauerei!
Er schnappte sich ein Hackbeil von der Werkbank und schlug es in das Holz. Hob es und hieb erneut zu. Noch ein Schlag, noch einer und noch einer.
Danach legte er es beiseite. Das Holz der Werkbank hatte von seinen Wutanfällen eine Menge Schnitte und Riefen, Splitterungen und rohe Wunden davongetragen. Die Werkbank hatte seinem Vater gehört und war bis zu dessen Tod in tadellosem Zustand gewesen. Er hatte das wertvolle Stück samt Werkstatt – Vaters Zufluchtsort – übernommen und seine Zuflucht daraus gemacht. Eine ausgezeichnete sogar. Nur hier gestattete er sich, seine wahren Gefühle auszuleben. Hier war seine geheime Gruft, die ihn schützend aufnahm, allen Kränkungen, Schmerzen, Wutanfällen und Siegestaumeln widerstand und ihm manchmal sogar ein Gefühl von Macht verlieh.
Er drehte sich um und ließ, gegen die Werkbank gelehnt, die Anblicke und Gerüche seiner Wunderwerkstatt auf sich wirken. Die geliebten Gerüche, die ihn an seinen Vater erinnerten, nach frischem Sägemehl, Benzin und WD-40 waren leider längst von denen seiner eigenen Zuflucht überlagert worden: nach getrocknetem Blut, verrottenden Fleischresten, Formaldehyd, Ammoniak und Erbrochenem. Doch nur der Geruch nach Erbrochenem war ihm wirklich zuwider.
Er bewunderte die Werkzeugsammlung seines Vaters, ein sonderbares, glänzendes Sortiment, das in geordneten Reihen an Nägeln und Haken die Wand zierte. Er hatte alte Fleischerhaken, Entbeinungsmesser und Hackbeile hinzugefügt, die jetzt neben Schraubenschlüsseln, Stemmeisen und Metallsägen hingen. Ansonsten beließ er die Werkzeugwand, wie sein Vater sie hinterlassen hatte, und zollte der Ordnung Respekt, indem er jedes benutzte Stück nach Gebrauch säuberte und an seinen Platz zurücklegte. So ließ er auch die praktischen Klemmen an der Werkbank und die Knochensäge und die große Rolle
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