Eiskalter Wahnsinn
Tully. Und sag Emma, sie bekommt meinen Hund nicht.“
Sie beendete das Gespräch und lenkte den Wagen in eine Parkbucht. Irgendwo hatte sie einen Stadtplan außer der Skizze von Tully. Es war nur eine Ahnung, aber woran sollte sie sich sonst halten? Sie musste das Gerichtsgebäude finden und überprüfen, wer die Einrichtung des Fleischerladens ersteigert hatte, inklusive aller Rollen Einschlagpapier.
58. KAPITEL
Henry Watermeier war losgefahren zum Steinbruch, machte kurz vor dem Ziel jedoch kehrt und fuhr Richtung Wallingford. Ja, er brauchte eine starke Tasse Kaffee, aber vor allem wollte er eine Pause im Buchladen einlegen und seine Frau sehen. Sobald die Medien Wind von dem neuen Mord bekamen, brach hier die Hölle los. Besonders, wenn publik wurde, dass das letzte Opfer eine der ihren war.
Er fürchtete immer mehr, dass er und seine Frau Rosie sich von dem Gedanken eines geruhsamen Lebens als respektierte Rentner in dieser Gemeinde verabschieden konnten.
Das Fenster heruntergelassen, schlängelte er sich über Nebenstraßen um die Innenstadt herum. Er fuhr langsam und versuchte tief durchzuatmen, um die Enge und den Druck in der Brust loszuwerden. Geschah ihm ganz recht, wenn er mit der Einnahme seiner Blutdruckmedikamente so nachlässig war.
Schließlich war er dem Anschlag vom 11. September nicht entgangen, um dann auf einer Landstraße in Connecticut an einem Herzanfall zu sterben.
Er fuhr am Friedhof St. Francis vorbei, der sich den Hang hinaufzog, als er einen Mann bemerkte, der sich eilig hinter einen großen Grabstein duckte. Zuerst glaubte Henry, es sich eingebildet zu haben. Vielleicht drohte ihm wirklich eine Herzattacke, obwohl man davon keine Halluzinationen bekam.
Henry bog in die Friedhofseinfahrt und hielt den Wagen an. Aus diesem Blickwinkel konnte er den Grabstein nur sehen, wenn er ausstieg. Er blieb sitzen, überzeugt, einem Trugbild aufgesessen zu sein. Falls sich jemand auf dem Friedhof aufhielt, war das nicht weiter verdächtig. Schließlich war das ein öffentlicher Ort. Die Leute kamen oft her, um Kränze oder Blumen auf die Gräber zu legen. Es bestand also kein Grund, sich zu verstecken.
Er setzte zurück und fuhr wieder auf die Straße. Rosie würde ihn auslachen. Nicht weil er seine Medizin vergessen hatte, sondern weil er Geister sah. Als er um die nächste Kurve biegen wollte, sah er in den Rückspiegel. Ehe der Friedhof aus seinem Blickfeld entschwand, entdeckte er den Mann wieder. Diesmal hielt Henry außer Sichtweite des Friedhofs auf dem Randstreifen an.
Er ließ den Wagen stehen und marschierte, um nicht gesehen zu werden, durch den Straßengraben zurück. Der Friedhof grenzte an einen Wald. Als Henry hinaufspähte, entdeckte er einen Pick-up zwischen den Bäumen – an einer Stelle, wo sich definitiv keine Straße befand.
Er kletterte den steilen Anstieg hinauf, in der Hoffnung, verborgen zu bleiben, bis er die Bäume erreichte. Lehm und Steine bröckelten unter seinen Stiefeln ab, und er war überzeugt, dass der Mann dort ihn hören musste. Hinter einem Windbruch dürrer Immergrüne versteckt, erhielt er den ersten ungehinderten Blick auf den Mann.
Der kehrte ihm den Rücken zu und grub mit einer Schaufel. Okay, er hob also ein Grab aus. Aber warum versteckte er sich dann, wenn ein Auto vorüberfuhr? Außerdem, seit wann benutzte man zum Gräberausheben wieder Schaufeln? Erledigten das sonst nicht diese Maschinen, diese kleinen Minibagger mit den Stahlschaufeln? Ja, er war jetzt sicher, dass die Gräber maschinell ausgehoben wurden. Er meinte sich sogar zu erinnern, dass Vargus und Hobbs mit mehreren Bestattern für diese Arbeit Verträge abgeschlossen hatten.
Henry trat näher, um besser sehen zu können. Und da bemerkte er, dass der Mann kein neues Grab schaufelte, sondern ein vorhandenes öffnete. In dem Moment drehte sich der Mann ein wenig, sodass Henry ihn erkannte. Es war Wally Hobbs, und der hastete davon, um sich hinter einen großen Grabstein zu ducken, als ein weiteres Auto vorbeifuhr.
59. KAPITEL
Luc hatte das Haus den ganzen Morgen noch nicht verlassen. Nicht einmal, um die Zeitung zu holen. Seit Agentin O’Dell fort war, lief er hin und her und versuchte dabei Fernsehen zu gucken, während er mit dem Baseballschläger in der Hand von einem Fenster zum nächsten ging.
Scrapple hatte ihn bereits vor Stunden als hoffnungslosen Fall aufgegeben und sich auf seinen Lieblingsläufer zurückgezogen. Bis auf ein gelegentliches Zucken der Ohren schlief
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