Eiskalter Wahnsinn
Kofferraumdeckel eingeklemmt, herausschaute.
„Scheiße!“ grummelte er vor sich hin und spürte, wie sich ihm ein Gewicht auf die Brust legte. „Charlie, versuchen Sie den Kofferraum zu öffnen. Greifen Sie hinein, aber fassen Sie nicht zu viel an.“
Als niemand reagierte, sah Henry seine beiden Deputys und den Fahrer der Zugmaschine an, die reglos auf den Kofferraum starrten.
„Charlie“, wiederholte Henry.
Diesmal gehorchte der Deputy, ließ sich jedoch Zeit, als müsste er besondere Vorsicht walten lassen, dabei verlangte Henry nur, dass er den Kofferraumdeckel öffnete. Als der Deckel endlich aufsprang, fragte Henry sich wieder einmal, warum er nicht schon vor einem halben Jahr in den Ruhestand gegangen war.
Er drückte den Deckel weit auf, und alle verharrten sprachlos, als sie auf die kleine zusammengekrümmte Gestalt im Kofferraum blickten. Henry bemerkte sofort, dass weder ihre Hand- noch Fußgelenke gefesselt waren. Aber dazu bestand wohl auch keine Notwendigkeit. Ihr Hinterkopf war ihnen zugewandt, eine Masse wirrer, blutverklebter Haare. Offenbar hatte sie einen tödlichen Schlag versetzt bekommen, der ihr den Schädel gespalten hatte, und das mit einer Gewalt, die bei einer so zarten Person geradezu ein Overkill war.
„Glauben Sie, dass sie das ist?“ fragte er Maggie.
„Schwer zu sagen. Ich habe nur ein Foto von ihr. Die Art der Kopfwunde kommt mir aber sehr bekannt vor.“
„Ja, das habe ich auch gerade gedacht.“ Henry rieb sich die Augen. Sie hatten noch nicht mal alle Opfer aus den Fässern geholt, und da war schon wieder eines. „Arliss, rufen Sie Carl an. Er soll das mobile kriminaltechnische Labor mitbringen. Und Dr. Stolz.“
„Die sind vermutlich draußen im Steinbruch, Sir.“
„Ich weiß, wo die vermutlich sind. Rufen Sie sie an und sagen Sie denen, die sollen ihre Hintern hierher bewegen.“
„Sir, soll ich genau das weitergeben?“
Henry hätte den Burschen am liebsten erdrosselt, sagte jedoch nur: „Charlie, würden Sie bitte …“
„Ist schon erledigt, Sheriff.“
Henry bemerkte, dass O’Dell dastand und auf das Opfer sah, als könnte sie es nicht fassen. Dabei war sie es doch gewesen, die ihn auf diese Spur gesetzt hatte. Er trat näher, um besser sehen zu können, und beugte den Kopf unter den Kofferraumdeckel, ohne etwas zu berühren. Er betrachtete den Bereich um die Leiche, ob da etwas zurückgelassen worden war. Irgendetwas, das ihnen die Identität dieser Frau bestätigt hätte. Vielleicht hoffte er sogar, die Tatwaffe zu entdecken. Doch da war absolut nichts. Aus diesem Blickwinkel sah er das Gesicht der Toten von der Seite, und es kam ihm irgendwie bekannt vor. Ja, allerdings, und dabei hatte er O’Dells Foto von Joan Begley nicht einmal gesehen.
Vorsichtig zog er leicht an der Schulter, um die Frau besser zu sehen, und fuhr erschrocken zurück.
„Heilige Scheiße!“ Er schlug sich den Kopf am Kofferraumdeckel an, taumelte zurück, verlor das Gleichgewicht und wäre fast gestürzt.
Die anderen blickten auf den Rücken der Frau und versuchten zu erkennen, was die heftige Reaktion des Sheriffs verursacht hatte.
„Es ist die Fernsehreporterin“, stellte er atemlos fest und hatte das Gefühl, die Brust könnte ihm platzen. „Die Kleine, die mir überallhin gefolgt ist.“
„Wovon reden Sie da?“ fragte Maggie, trat näher an den Kofferraum, wartete jedoch, bis der Sheriff wieder herankam.
Er rollte die Schultern und wischte sich die Hände an den Seiten seiner Hose ab, als könnte er sich so vor dem Anblick wappnen. Dann beugte er sich wieder in den Kofferraum, aber nur so weit wie nötig. Nach kurzem Zögern legte er die Hand auf die Schulter der Toten und zog.
„Er hat ihr die Augen genommen“, sagte er und drehte sie so, dass die anderen ihr Gesicht sehen konnten – vor allem die leeren Höhlen, in denen einmal ausdrucksvolle blaue Augen gewesen waren.
57. KAPITEL
Maggie hörte ihr Handy piepen, ein Warnton, dass die Batterie fast leer war. Sie hatte vergessen, den Akku über Nacht aufzuladen.
„Tully mein Handy ist gleich leer, also sag mir nur das Wichtigste. Habt ihr etwas in Sonnys E-Mails entdeckt?“
„Er schreibt, dass er als Kind sehr krank war und seine Mutter ihm Medizin gab, die alles nur noch schlimmer machte. Dr. Patterson war mit mir einer Meinung, obwohl es vielleicht etwas weit hergeholt erscheint, aber wir glauben, dass er Opfer des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms geworden ist. Bist du damit
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