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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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sich SMS mit Vanessa geschrieben.«
    Leander nickte. »Hab ich auch gelesen. Die letzte am Abend der Walpurgisnacht. Da war das Handy schon bei mir, allerdings wusste ich das natürlich nicht.«
    Ich las neugierig die SMS. »Da steht: Hey, girlfriend – 30.5., 21.00 Uhr. Und eine Adresse. Der dreißigste Mai ist heute.« Ich ging alle SMS von und an Yoralin durch.
    »Ich weiß.« Leander rieb sich gestresst die Schläfen. »Es geht immer um irgendwelche Treffen. Immer kurzfristig, bis auf die letzte. Und immer woanders.«
    »Was für Treffen denn?« Ich ging die SMS durch. »Hier schreibt Vanessa zurück: War so geil, freu mich aufs nächste Mal! Und hier: Yoralin, du bist die Beste. Ace! Und hier: OMG , Best evening of my life! « Ich sah zu Leander. »Yoralin ist ein Mädchen.«
    »Ein Mädchen?« Leander wirkte überrascht. »Hab ich gar nicht bemerkt.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Sieht jedenfalls so aus. Vielleicht sind die anderen ja doch irgendwelche Freundinnen. Vom Ballett oder so. Ich ruf da jetzt mal an.« Kurz entschlossen ging ich in die Kontakte und drückte die erste Nummer. M. erschienauf dem Display, neben der schemenhaften Hülle eines Menschen. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn da ein Foto gewesen wäre. Es klingelte an meinem Ohr.
    »Was machst du denn da?« Leander sprang erschrocken auf.
    Ich streckte abwehrend die Hand aus und lauschte. Dann hörte ich es. Und Leander hörte es auch. Es klingelte nicht nur an meinem Ohr. Es klingelte auch draußen auf der Straße.
    »Was zum …« Mit einem Satz war Leander am Fenster. Wir wechselten einen kurzen Blick miteinander. Der Typ vorn an der Straße hielt sein klingelndes Telefon in der Hand. Es knackte an meinem Ohr.
    »Wer ist da?«, fragte eine Stimme. Männlich.
    Es war der Mann vorn an der Straße! Er sprach jetzt in sein Handy und sah zu meinem Haus.
    »Bist du ein Freund von Vanessa?«, stotterte ich. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor.
    Am anderen Ende herrschte Schweigen.
    »Gib mir das Ding«, flüsterte Leander. Er zog an meinem Arm.
    »Können wir uns mal treffen?«, fragte die Stimme jetzt.
    »Du stehst doch da draußen auf der Straße, vor meinem Haus, oder?«, platzte ich heraus. In diesem Moment gelang es Leander, mir das Telefon wegzunehmen.
    »Was weißt du über Nessa?«, fragte er. »Was weißtdu über meine Freundin, wer bist du überhaupt? M. ja wohl kaum, wieso …« Leander hielt das Handy vor sich und sah es ungläubig an. Es knackte und tutete. Der Typ hatte aufgelegt, die Straße war auf einmal leer.
    »Scheiße«, flüsterte ich. »Und nun?«
    Leander antwortete nicht. Er starrte ungläubig das Handy an.
    »Schaff das Ding zur Polizei«, sagte ich.
    Er nickte langsam. »Ja. Mach ich morgen.« Er strich über das Display. »Aber erzähl erst mal keinem davon.«
    Ich sah ihn traurig an. »Wem denn? Meinen vielen Freundinnen etwa?«
    Leander verzog kurz den Mund. Fast sah es aus wie Mitleid. »Yoralin«, sagte er dann nachdenklich. »Heute Abend wird Yoralin an dieser Adresse sein. Und weißt du was?« Er sah mich an, die Augen umschattet vor Erschöpfung, aber trotzdem irgendwie elektrisiert und belebt. »Wir beide gehen dahin.«

20
Mai
    Ich sah ihm nach, wie er in seinem schlaksigen Gang die Straße entlanglief, den Kopf gesenkt, die Hände in den Taschen seiner Lederjacke. Und trotz der ganzen beschissenen traurigen letzten Tage, der Tatsache, dass irgendwas mit Vanessas Handy ganz und gar nicht stimmte und dass ich nachher mit Leander zu dieser Yoralin-Adresse gehen sollte, fühlte ich mich erstmals seit Wochen wieder leicht und frei. Leander war zu mir gekommen. Wir hatten miteinander geredet und würden auch weiter zusammen reden, wir würden sogar zusammen etwas unternehmen. Das war alles, was zählte. Normalerweise hätte ich jetzt Tine angerufen und ihr alles berichtet. Aber nach der Sache mit San Francisco nicht. Und irgendwas in mir beschwor mich ohnehin, die Sache mit dem Handy erst mal für mich zu behalten, außerdem hatte ich es Leander versprochen.
    Oben in meinem Zimmer räumte ich endlich meine Sachen auf. Es war, als ob Leanders Besuch mich aufgerüttelt hatte. Ich war in der Lage, leere Teller, dreckige Unterwäsche, Bücherstapel, Papierkram und zahllose vollgeschniefte Papiertaschentücherwegzuräumen. Ja, ich geriet in einen regelrechten Putzrausch. Ich überzog sogar mein Bett neu und wischte den Tisch sauber. Dann öffnete ich das Fenster, um die muffige Luft zu vertreiben, und legte

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