Eiskaltes Schweigen
plötzlich nach Westen. Es wurde bergig, einsam und gefährlich. Ich bemerkte, dass Durian jetzt immer öfter zu mir herübersah. Wir fuhren auch langsamer. Die StraÃe begann anzusteigen, er musste zurückschalten, wir wurden noch langsamer. Er verlieà die BundesstraÃe. Nach links, also wieder nach Süden. Es wurde immer wahrscheinlicher, dass er die Stelle im Wald suchte, wo er damals überwältigt und verhaftet wurde. Jetzt befanden wir uns auf einer kurvigen NebenstraÃe, die wir fast für uns allein hatten. Nur selten kam uns ein Fahrzeug entgegen. Noch seltener wurden wir überholt. Ein rechteckigesblaues Schild kam in Sicht mit einem groÃen P darauf. Durian bremste, bog auf den Parkplatz.
Jetzt?
War es jetzt so weit?
Wir standen.
Durian sah nach vorn. Den Motor lieà er weiterlaufen, die Scheinwerfer blieben an. Er legte die Unterarme auf das Lenkrad, starrte mit verkniffener Miene in die Dunkelheit. Ich rührte mich nicht. Wagte kaum zu atmen.
Plötzlich ging ein Ruck durch ihn. Seine Hand fuhr in die rechte Manteltasche. Ich sah etwas blitzen im Zwielicht. Stahl in seiner Hand.
Jetzt!
Die Hand mit dem Messer stockte, bevor er es ganz aus der Tasche gezogen hatte. Sank zurück. Blieb lange in der Tasche. SchlieÃlich lieà er los. Straffte sich.
»Geben Sie mir Ihr Handy«, sagte er rau. »Ich weiÃ, dass Ihre Kollegen es orten können.«
Was blieb mir übrig? Er nahm es, sagte sogar »danke«, schaltete es aus und steckte es in die Tasche zu dem Messer. Dann trat er das jämmerlich quietschende Kupplungspedal und legte den ersten Gang ein. Ein Ruck.
Wir fuhren wieder. Ich lebte noch.
Erneut Kurven, Steigungen, Gefälle. Manchmal ein Dorf, das, obwohl immer noch früher Abend war, ausgestorben wirkte. Irgendwann tauchte ein groÃes gelbes Schild im wackeligen Scheinwerferlicht auf. Die B427. Links ging es nach Bad Bergzabern, rechts tiefer in den Pfälzer Wald hinein. Durian fuhr geradeaus, in Richtung Frankreich. Ich atmete auf, als hätte ich schon gewonnen. Erlenbach, Niederschlettenbach, Bundenthal, Rumbach. Dörfer, deren Namen ich noch nie gehört hatte.
Wieder wurde der Lieferwagen langsamer. Wieder suchte Durian offensichtlich eine Möglichkeit zum Anhalten. Eine kleine Ausbuchtung kam in Sicht. Er bremste scharf, kam sogar ein wenig ins Rutschen. Dann standen wir.
Er wandte sich mir zu. »Drehen Sie mir den Rücken zu«, sagte er tonlos. »Sehen Sie aus dem Seitenfenster.«
Nun war es also so weit.
»Da gibt es aber nichts zu sehen!«, quetschte ich heraus, und es klang nicht annähernd so souverän, wie ich es mir gewünscht hatte.
Ich hörte Stoff rascheln. Spürte die Bewegung hinter mir. Presste die Augen zu, die Lippen zusammen. Ich wollte wenigstens sterben wie ein Mann. Ich wollte wenigstens nicht schreien.
Theresa, dachte ich, schade â¦
29
Es war vollkommen dunkel und mörderisch kalt und betäubend laut. Die Welt bebte und dröhnte, schaukelte und krachte, dass mir schier der Kopf explodierte. Ich konnte mich nicht bewegen und kaum atmen. Meine Kopfschmerzen waren das Zentrum eines giftgelb glühenden Sonnensystems, weit, weit entfernt von unserer guten, warmen Erde.
Mir war übel. Rasend übel. Jeder einzelne Teil meines Körpers schien aus Schmerzen zu bestehen.
Und mir war so unvorstellbar kalt.
Immer noch war es dunkel. Ich musste wieder das Bewusstsein verloren haben. Vielleicht nur für Minuten. Oder Stunden? Tage? Immerhin war mir nicht mehr gar so übel. Auch die Kopfschmerzen schienen nachgelassen zu haben. Ich versuchte, mich zu bewegen, stieà in jeder Richtung auf harten Widerstand. Anscheinend befand ich mich in einer Art länglicher Kiste. Meine Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden. Auch die FüÃe waren gefesselt. Die Luft schien kaum noch Sauerstoff zu enthalten.
Jetzt erst wurde mir bewusst, dass es still war.
Es war vollkommen still!
Sollte Durian mich �
Ich hielt den Atem an, lauschte. Aber da war nichts zu hören als Rauschen in meinen Ohren und das Poltern meines Pulses. Das Atmen fiel so verteufelt schwer in der engen Kiste. Aber von irgendwoher schien doch ein wenig frische Luft zu kommen.Nicht viel, aber vielleicht genug zum Ãberleben. Hoffentlich genug zum Ãberleben.
Durian hatte mich nicht erstochen, sondern vermutlich bewusstlos geschlagen. Aus irgendeinem Grund war er der
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