Eiskaltes Schweigen
verschwunden. Und rufen Sie doch bitte noch mal bei den Kollegen in Genf an. Die sollen versuchen herauszufinden, wo Kettenbach sich in der fraglichen Nacht herumgetrieben hat. Vielleicht gibt es ja noch mehr gesprächige Kolleginnen in dem Hotel.«
»Wo wollen Sie denn so eilig hin?«, fragte ich meine treue Sekretärin am Dienstagmorgen, als sie mir in der Tür entgegenkam.
»Runter zum Herrn Runkel. Er will den Käfig saubermachen und hat gefragt, ob ich ihm ein bisschen dabei helfen kann.«
»Ist der Papagei etwa immer noch hier?«
»Wieso nicht? Er verbessert das Betriebsklima. Sein Futter sollte eigentlich die Direktion bezahlen. Früher haben die Leuteim Flur bei der Kaffeemaschine gestanden, jetzt stehen sie um den Käfig herum und bringen Flaubert Sachen bei und amüsieren sich.«
»Was denn für Sachen?«
»Die Polizei, dein Freund und Helfer, zum Beispiel. Das kann er schon recht gut.«
»Passen Sie auf, dass Sie nicht gebissen werden. Ich kann nicht auf noch mehr Leute verzichten. Und auf Sie natürlich zweimal nicht.«
Lachend zog sie die Tür hinter sich zu.
Wenige Minuten später klingelte mein Telefon.
»Das müssen Sie sich ansehen, Chef«, sagte Runkel dumpf und ohne Zeit für BegrüÃungsfloskeln zu verschwenden. »Das müssen Sie sich unbedingt ansehen.«
Flaubert hockte verstört im oberen, aus kräftigem Messingdraht gefertigten Teil seines Käfigs auf Runkels Schreibtisch und beobachtete argwöhnisch das Treiben um ihn herum. Den anderen Teil des Käfigs bildete eine stabile, dunkelbraune Kunststoffwanne, die man mit wenigen Handgriffen vom Oberteil trennen konnte. Zwischen dem Boden dieser Wanne und einer offenbar nachträglich eingefügten und jetzt herausgehobenen dünnen Resopalplatte befand sich ein Hohlraum, in den man jetzt, da die Platte entfernt worden war, hineinsehen konnte.
Dieser Hohlraum war vollgestopft mit Geldscheinen.
»Wir habenâs mal grob überschlagen«, murmelte Runkel schreckensbleich, »das sind mindestens hunderttausend!«
Sönnchen stand mit feuchten Augen daneben und nickte immer wieder.
»Besser als jeder Tresor«, sagte sie. »Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, da reinzugreifen.«
»Wo die Alarmanlage ja praktisch drin wohnt«, ergänzte Runkel.
»Krahhh!«, bestätigte Flaubert. »Polizei ein Freundunhelfer.«
»Jetzt wissen wir also, warum Frau Bialas in den letzten Monaten kein Geld von ihrem Konto abgehoben hat«, sagte ich. »Bleibt die spannende Frage: Wo kommt das viele Geld her?«
»Vielleicht hat sie im Lotto gewonnen?«, meinte Runkel.
»Dann hätte sie es auf der Bank eingezahlt, wo es Zinsen bringt«, widersprach Sönnchen. »Legales Geld ist das nicht, das steht mal fest.«
Die Tür öffnete sich. Balke trat ein. Er schien inzwischen ebenfalls erkältet zu sein. Seine Augen glänzten ungesund, sein Atem roch nach Kamille. Runkel klärte ihn auf, und Balke nieste daraufhin dreimal.
»Gestohlen wird sie es wohl nicht haben«, meinte er, nachdem er sich die Nase geputzt hatte. »Sonst hätte sich längst wer gemeldet, dem es fehlt. Das da ist ja schlieÃlich kein Pappenstiel.«
»Vielleicht Erpressung?«, schlug Sönnchen vor.
»Das war auch mein erster Gedanke«, sagte ich. »Eine andere Erklärung fällt mir auf die Schnelle nicht ein.«
»Ich fang mal an zu zählen.« Runkel wollte sich gleich ans Werk machen.
»Pfoten weg«, fuhr Balke ihn an. »Fingerspuren!«
Runkel zuckte beleidigt zurück.
»Pfoten weg!«, bestätigte Flaubert.
Während ich die zweite Mail des Tages an Theresa schrieb, summte mein Telefon.
»Da ist so ein komischer Kerl, der Sie unbedingt sprechen will«, sagte Sönnchen ratlos. »Wenn ichâs richtig verstanden hab, dann arbeitete er in einem Bestattungsinstitut. Was er von Ihnen will, hab ich aber nicht aus ihm rausgekriegt â¦Â«
Es knackte in der Leitung. Erst hörte ich nur geheimnisvolles Rauschen.
»Rodenkirch«, stellte sich mein Gesprächspartner dann mit sonorer Stimme und würdevollem Ton vor. »Ich habe hier etwas entdeckt. Und ich möchte Sie höflich bitten, es sich anzusehen und mir zu bestätigen, dass es unwichtig ist.«
»Darf ich fragen, worum es geht?«
»Es handelt sich um einen älteren Mann, den
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