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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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teilweise sein Hund aufgegessen hat. Ich bin dabei, seine leider unvollständigen sterblichen Überreste sargfein zu machen. Diese Aufgabe ist in diesem tragischen Fall alles andere als trivial. Aber jeder Totehat ein Anrecht auf einen Abschied in Würde, nicht wahr. Auch der grauenhaft Entstellte, gewissermaßen.«
    Draußen goss es in Strömen, auf meinem Schreibtisch stapelte sich wieder Arbeit, aus irgendeinem Grund hatte ich schon seit dem Aufstehen schlechte Laune, und ich verspürte nicht die geringste Lust, mein behaglich geheiztes Büro zu verlassen, um mir in irgendwelchen kühlen Kellern unappetitliche Leichen anzusehen, auch wenn sie noch so sargfein waren.
    Â»Und da ist Ihnen also etwas aufgefallen …«
    Â»So ist es, ja. Mein Chef sagt zwar, es geht uns nichts an. Der Leichnam ist freigegeben, sagt mein Chef, und somit geht uns alles Weitere nichts mehr an. Ich hingegen bin jedoch der Ansicht, man kann das so nicht machen. Schließlich und endlich ist man auch Staatsbürger und hat somit nicht nur Rechte, sondern auch gewisse Pflichten.«
    Â»Und Sie wollen mir wirklich nicht am Telefon sagen, worum es geht?«
    Â»Sie würden es mir ohnehin nicht glauben, wenn Sie es nicht mit eigenen Augen sehen.«
    Â»Okay«, seufzte ich. »Wo finde ich Sie?«
    Er nannte mir eine Adresse in der Lessingstraße. Ich versprach, abends vorbeizukommen und mir das geheimnisvolle Etwas anzusehen, das er entdeckt haben wollte.
    Â»Der Zeitpunkt passt mir ganz vortrefflich«, erklärte der wortgewandte Anrufer befriedigt. »Nach sechs sind der Chef und die Chefin schon zu Hause, und somit sind keine unerfreulichen Diskussionen zu befürchten.«
    Mir passte der Zeitpunkt auch ganz gut, denn so konnte ich die lästige Angelegenheit während meines Heimwegs hinter mich bringen.
    Als ich auflegte, stand Balke in der Tür. Vermutlich hatte er schon länger gewartet.
    Â»Hätten Sie ein paar Sekunden?«, fragte er.
    Ich deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite meines Schreibtischs.
    Â»Es geht um das Handy von Frau Bialas.« Er räusperte sich. »Unsere Techniker haben es geschafft, die SIM-Card auszulesen,und eben sind die Gesprächslisten gekommen. Mit Abstand am meisten hat sie mit ihrer Freundin telefoniert, dieser Frau Heinemann, zweimal mit einem Bekleidungsgeschäft in Mannheim. Das habe ich schon gecheckt, da war was mit einem Mantel, den sie dort gekauft hatte. Viel spannender ist, wer sie angerufen hat.« Er breitete einige Blätter auf meinem Schreibtisch aus und drehte eines davon so, dass ich es lesen konnte. »Seit sie in Heddesheim war, ist sie nicht weniger als hundertsiebenundvierzig Mal von einer Nummer in Genf angerufen worden. Sie hat keinen einzigen dieser Anrufe angenommen.«
    Â»Kettenbach.«
    Balke nickte. »Sehen Sie hier: Allein in den zwölf Stunden vor dem Mord hat er es acht Mal versucht. Ab zehn Uhr abends war dann plötzlich Ruhe.«
    Ich lehnte mich zurück und nahm die Brille ab. »Wie lange fährt man von Genf nach Heddesheim?«
    Â»Laut Routenplaner viereinhalb Stunden.«
    Â»Das heißt, um halb drei hätte er problemlos am Tatort sein können, wenn er um zehn losgefahren wäre.« Ich setzte die Brille wieder auf. »Hat er einen Wagen?«
    Â»Einen Alfa Romeo Spider. Laut Google hat so eine Kiste hundertvierundachtzig PS und läuft gut zweihundertzwanzig.«
    Â»Setzen Sie sich mit dem Schweizer Zoll in Verbindung. Meines Wissens scannen die die Kennzeichen aller Fahrzeuge ein, die über die großen Grenzübergänge fahren. Vielleicht ist ja auch Kettenbachs Alfa darunter.«
    Rodenkirchs Körperbau passte in keiner Weise zu seiner volltönenden Stimme. Vor der Tür des Bestattungsunternehmens wartete ein schmächtiges Männchen mit hagerem Gesicht und dem branchenüblich dunklen und bei genauerem Hinsehen etwas speckigen Anzug. Rodenkirch hatte eine kleine Nase, vorstehende Augen und jenen leidenden Gesichtsausdruck, der vielleicht in Bestatterkreisen den Rang einer Berufskrankheit hat. An seinem Arbeitsplatz wurde nicht viel gelacht, vermutete ich, und so verkümmerten die für die Heiterkeit zuständigen Muskeln im Gesicht über die Jahre.
    Â»Kommen Sie bitte«, sagte er, nachdem er mich mit einem mitleidsvollen Händedruck begrüßt hatte. »Wir gehen aus Gründen der Diskretion vielleicht besser hinten

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