Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
vor der Wohnung landen …«
    »Die zweite … Moment … die dritte links.«
    Ketola nickte und folgte seinen Anweisungen.
    Es war ein klotziger Wohnblock mitten im Wald. Joentaa dachte, dass es so etwas vermutlich nur in Finnland gab. Seite an Seite zu leben mit etlichen anderen, auf engstem Raum, und gleichzeitig die Einsamkeit des Waldes direkt vor der Haustür zu haben.
    Vesa Lehmus musste in einem der beiden lang gezogenen grauen Häuser wohnen, die sich wie Gegner gegenüberstanden. Es waren offensichtlich sehr kleine Wohneinheiten, jede ausgestattet mit einem Balkon und zwei Fenstern. Im Zentrum zwischen den Häusern war ein Spielplatz mit zwei Schaukeln, einem Gerüst und einem Sandkasten, der fast vollständig von matschigem Schnee bedeckt war. Neben dem Klettergerüst stand ein Schneemann, der aussah, als würde er jeden Moment in sich zusammenfallen.
    »Welche Wohnung ist es?«, fragte Ketola.
    »Moment … 5B.«
    Ketola beugte sich vor, um die Ziffern lesen zu können. »Da hinten«, sagte er. »Auf Höhe des Spielplatzes.«
    Joentaa nickte.
    »Sie warten hier«, sagte Ketola.
    »Was ist mit Heinonen? Sollte er nicht Verstärkung anfordern?«
    »Wir bringen das jetzt zu Ende«, sagte Ketola und stieg aus. Joentaa sah ihm nach. Ketola ging mit zackigen Schritten auf das Haus zu. Und auf den Mann, den sie suchten.
    Joentaa dachte daran, dass er direkt neben diesem Mann gestanden hatte. Er hatte ihn angelächelt und sein Klavierspiel bewundert.
    Ketola überquerte zielstrebig den Spielplatz. Joentaa sah, dass er an sein Jackett griff, er vergewisserte sich vermutlich, dass seine Waffe dort war, wo sie sein sollte. Joentaa ließ seinen Blick an den Balkons entlangwandern, aber da war niemand. Ob jemand am Fenster stand, konnte er nicht sehen, im Glas spiegelte sich die Sonne. Ketola verschwand im Innern des Hauses. Joentaa sah auf die Uhr. Dieses Mal würde er nicht so lange warten.
    Er gab Ketola fünf Minuten.
    Er starrte auf die Tür, aber nichts passierte, niemand kam, niemand ging, die beiden grauen Häuser wirkten wie ausgestorben. Wieder hatte Joentaa den Eindruck, die Szene sei eingefroren, zum Stillstand gekommen.
    Er konzentrierte sich auf den wackligen Schneemann auf dem Spielplatz. Nach einiger Zeit glaubte er zu sehen, wie die Sonne ihn langsam aufweichte.
    Plötzlich hatte er das Gefühl, dass alles ganz falsch lief. Was, wenn er sich getäuscht hatte? Wenn er sich alles einbildete? Wenn die Melodien sich einfach nur geähnelt hatten? Was, wenn der Klavierstimmer einfach ein Klavierstimmer gewesen war, der nicht das Geringste mit Vesa Lehmus zu tun hatte?
    Aber es war die gleiche Melodie gewesen. Es konnte kein Zufall sein.
    Die fünf Minuten waren vorbei. Joentaa wehrte sich gegen den Drang auszusteigen. Noch fünf Minuten, dann würde er ins Haus gehen. Er stellte sich vor, dass Ketola gleich mit Vesa Lehmus herauskommen würde.
    Aber Ketola kam nicht.
    Er starrte auf die Eingangstür, die aus der Ferne aussah, als sei sie auf den Beton geklebt worden, als sei gar kein Innenleben dahinter. In den Augenwinkeln sah er, dass jemand auf dem Balkon im ersten Stock war. Er hob den Blick. Es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, wer da stand. Es konnte eigentlich nicht stimmen.
    Es war Ketola. Joentaa konnte sein Gesicht nur erahnen, aber er sah, dass er wütend war, sehr wütend. Ketola lehnte sich über das Geländer, sah hinab auf den Spielplatz und stand eine Weile schwankend, er kämpfte gegen den Ausbruch an. Dann begann er zu schreien, er drehte sich um und nahm etwas, einen Plastikstuhl, er hob den Stuhl hoch und warf ihn mit Wucht auf den Boden, hob ihn wieder auf und warf ihn auf den Boden. Er schrie ohrenbetäubend.
    Joentaa stieg aus und rannte auf das Haus zu.

15
    »Wo ist dieser Drecksack?!«, schrie Ketola.
    »Was ist …?« Joentaa musste erst zu Atem kommen.
    »Nichts ist! Wie Sie unschwer erkennen können! Er ist nicht hier!« Ketola machte eine ausladende Geste. »Niemand hier, leer, Scheiße!« Er ließ sich auf den Stuhl fallen, der an einem Holztisch im Zentrum der karg eingerichteten Einzimmerwohnung stand.
    »Sind Sie …« Joentaa vollendete den Satz nicht.
    Ketola sah ihn scharf an: »Was bin ich?«
    »Sie haben die Tür eingetreten …«
    »Ach ja, ist Ihnen das aufgefallen?«
    »Sie können doch nicht …«
    »Was kann ich nicht?!«
    Joentaa griff mechanisch nach seinem Mobiltelefon, um Ketolas Aggression auszuweichen. Er behielt Ketola im Auge, der bebte und seine

Weitere Kostenlose Bücher