Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Wut auf ihn zu richten schien.
»Was starren Sie mich so an!?« Ketola sprang auf und kam auf Joentaa zu. Joentaa wählte und zwang sich, ruhig zu bleiben. Erleichtert registrierte er Heinonens immer freundliche, zurückhaltende Stimme.
»Hallo Tuomas, hier ist Kimmo …«
Ketola, der sich vor Joentaa aufgebaut hatte und offensichtlich bereit gewesen war, sich auf ihn zu stürzen, hielt inne und schien langsam zur Besinnung zu kommen.
»Hallo Kimmo«, sagte Heinonen. »Ich weiß schon Bescheid, Ketola hat mich angerufen … ich bin jetzt mit zwei Kollegen im Handwerksmuseum, wir bemühen uns, das Ganze unauffällig zu machen, um den Mann nicht unfreiwillig zu warnen, falls er doch noch hier auftaucht …«
»Ja … gut. Wir sind jetzt in der Wohnung des Mannes, er ist nicht hier … frag doch die Frau … ich weiß den Namen nicht … die Frau an der Kasse …«
»Ja?«
»Frag sie, ob Lehmus Verwandte hat oder Freunde, bei denen er sein könnte …«
»Moment.«
Joentaa hörte dumpf Heinonens Stimme und kaum vernehmbar die der Kassiererin. Nach etwa einer Minute war Heinonen wieder da. »Die Frau sagt, dass er einen Bruder hat … Tommy Lehmus, wohnhaft in Turku … Hämenkatu 28, aber tagsüber arbeitet er in einem Altersheim …«
»Frag die Frau nach diesem Heim.«
»Moment …«
Joentaa sah, dass Ketola an ihm vorbeistarrte, überrascht, als passiere hinter Joentaas Rücken etwas Merkwürdiges. Joentaa glaubte, dass Vesa Lehmus zurückgekehrt war, dass er auf der Türschwelle stand. Er drehte sich ruckartig um, aber da war nichts. Nur die zertrümmerte Tür, die halb auf dem Boden lag, weil Ketola sie gewaltsam aus den Angeln gehoben hatte. Ketola ging an ihm vorbei, an der Tür blieb er stehen. Er wirkte wieder vollkommen ruhig. Nichts deutete auf den cholerischen Ausbruch hin, auf die enorme Wut, mit der er auf diese Tür eingeschlagen haben musste.
Joentaa dachte, dass er noch nie eine so übel zugerichtete Tür gesehen hatte, er dachte daran, dass Ketola den ganzen Vormittag so ruhig, so kontrolliert gewirkt hatte, genauso ruhig wie jetzt, aber was brachte das, wenn er zwischen den Ruhephasen unvermittelt in so ungeheuerlicher Weise explodierte?
Heinonen war wieder in der Leitung. »Die Frau wusste den Namen des Heims, es heißt Sinivuori, die Adresse habe ich nachgeschlagen … hörst du?«
»Ja, entschuldige, wie ist die Adresse?«
»Kaukvuorenkatu 42 bis 44. Das ist, wenn ich mich nicht täusche, am Rand von Turku …«
»Danke.«
»Soll ich eine Streife hinschicken?«
»Nein, wir fahren selbst hin. Bis später.«
»Bis später«, sagte Heinonen.
Joentaa unterbrach die Verbindung.
»Gute Idee, sehr gut«, murmelte Ketola, ohne den Blick von der Tür zu nehmen, die er inzwischen notdürftig wieder eingehängt hatte. Hinter Ketola im Gang standen zwei Kleinkinder und ein offensichtlich betrunkener Mann. Der Mann kicherte, und die Kinder versuchten vorsichtig, einen Blick in die Wohnung zu erhaschen.
Ketola musste das ganze Haus aufgeschreckt haben, als er auf die Tür eingeschlagen hatte.
»Weg hier!«, sagte Ketola. »Verschwinden Sie, es gibt nichts zu sehen!« Die Kinder rannten weg, der Betrunkene trollte sich provozierend gemächlich. »Sie fahren zu diesem Altersheim«, sagte Ketola. »Ich warte hier in der Wohnung, kann mir ja die Zeit damit vertreiben, die Unordnung zu bereinigen, die ich hergestellt habe.« Er bemühte sich um ein Lächeln, aber es misslang.
Joentaa dachte an sein Vorhaben, mit Ketola zu reden, einfach sehr lange zu reden, aber er wusste, dass er das immer nur denken, nie tun würde.
»Es tut mir leid«, hörte er Ketola sagen, als er schon die Treppe hinunterlief.
16
Das Altersheim lag auf einer begrünten Anhöhe am Stadtrand, wie Heinonen vermutet hatte. Das lang gestreckte weiße Gebäude war von einem großen Park umgeben und fügte sich nahtlos in die Schneelandschaft ein.
Während Joentaa durch den Park auf das Haus zuging, dachte er, dass sich möglicherweise seine Mutter hier wohlfühlen könnte, in vielen Jahren, wenn es so weit war. Der Gedanke war abwegig, weil Anita vermutlich nie in ein Heim gehen würde und er das auch nicht wollte, im Gegenteil, er würde alles tun, um es zu verhindern. Warum dachte er jetzt überhaupt über so etwas Fernes, Abseitiges nach?
Er glaubte plötzlich ganz sicher zu wissen, dass Vesa Lehmus nicht hier war. Vesa Lehmus war weder in diesem schneeweißen Haus noch im Handwerksmuseum noch in seiner Wohnung, er
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