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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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hatte er für einen Moment den Eindruck, Vesa Lehmus zu sehen.
    Er ließ die Innenstadt hinter sich und konzentrierte sich auf die Straße.
    Es war ohnehin zu spät.
    Er konnte den Gedanken, dass Jaana Ilander leben würde, wenn er schneller geschaltet hätte, nicht abschütteln, und er wusste schon jetzt, dass dieser Gedanke immer da sein würde.
    Er musste den Wagen wieder auf dem zugeschneiten Waldweg stehen lassen. Er stapfte durch den hohen Schnee. Als er bei Laaksonens vorbeikam, sah er Liisa in der Küche stehen.
    Sein Haus, Sannas Haus, lag im Dunkel. Es sah leblos aus, und Joentaa dachte, dass er hier nicht bleiben wollte, nicht bleiben konnte, obwohl er wusste, dass Sanna es gewollt hätte, aber es war unmöglich. Er musste bald wegfahren oder wegfliegen, weit weg, an irgendeinen Ort, der nicht das Geringste mit Sanna zu tun hatte.
    Am Abend nach Sannas Beerdigung hatte er die Pistole genommen und eine Weile angesehen. Er hatte sofort gewusst, dass er den Gedanken, den er gehabt hatte, nicht umsetzen würde, er hatte gespürt, dass seine Angst zu groß war, die Angst vor der letzten Sekunde, von der Sanna im Schlaf überrascht worden war.
    Auch Laura Ojaranta, Johann Berg und Jaana Ilander waren im Schlaf überrascht worden.
    Er fragte sich, warum im Haus kein Licht brannte.
    Der Gedanke, dass Daniel nicht da war, machte ihm Angst. Seit Daniel da war, war es ihm leichter gefallen, nach Hause zu kommen.
    Er schloss die Haustür auf und schaltete sofort das Licht im Flur an.
    »Daniel?«, sagte er.
    Es blieb still.
    Er schob behutsam die Wohnzimmertür auf und sah durch das Dunkel auf den grauen See aus Eis, der im Mondlicht lag. Er spürte so bewusst wie noch nie seine Angst vor dem Winter.
    Er hatte immer Angst gehabt vor der Kälte und vor der allgegenwärtigen Dunkelheit. Wenn er als Kind morgens mit dem Fahrrad zur Schule gefahren war, war es dunkel gewesen; als er nachmittags zurückfuhr, war es dunkel gewesen, und jedes Mal hatte er befürchtet zu erfrieren, bevor er ankam.
    Der erste helle Winter in seinem Leben war der gewesen, in dem er Sanna kennengelernt hatte.
    Daniel lag auf dem Sofa und schlief.
    Joentaa wandte sich ab, schloss leise die Tür hinter sich und ging in die Küche. Er schaltete das Licht an, füllte ein Glas mit Wasser und trank. Draußen ging Roope vorbei, der Junge aus dem Nachbarhaus. Er zog einen Schlitten hinter sich her. Joentaa erinnerte sich, dass Roope und seine Freunde ihn geweckt hatten, als er am Tag nach Sannas Tod auf dem Steg gelegen hatte. Er fragte sich, ob Roope sich noch an diesen Tag erinnerte und an sein merkwürdiges Verhalten.
    Er setzte sich an den Küchentisch und hörte die Melodie, die Vesa Lehmus gespielt hatte. Er hörte sie, seit sie sich aus Annas scheinbar willkürlichen Schlägen herauskristallisiert hatte. Es war eine schöne Melodie, fast hatte er den Eindruck, dass sie etwas mit ihm zu tun hatte, mit Sannas Tod und mit seiner Angst.
    Fast hatte er den Eindruck, dass diese Melodie ihm hätte helfen können, wenn sie nicht so quälend hart gegen seine Stirn gehämmert hätte.

20
    Der Polizist hatte wieder unglücklich ausgesehen, er sah immer unglücklich aus.
    Das war Vesa sofort aufgefallen, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, im Handwerksmuseum, er hatte den Eindruck gehabt, dass sich in den Augen des Polizisten seine eigene Angst gespiegelt hatte.
    Einige Male hatte Vesa in den vergangenen Wochen an diesen Polizisten gedacht, und jedes Mal war der Gedanke mit dem Wunsch verbunden gewesen, ihn zu fragen, wovor er Angst habe.
    Vielleicht konnte Vesa dem Polizisten helfen.
    Vesa hatte alles falsch gemacht, das wusste er jetzt, und dieses Wissen fraß sich durch seinen Körper, bis er kaum noch atmen konnte.
    Er hatte alles falsch gemacht, aber es war nicht zu spät, er würde mit diesem Polizisten sprechen, er würde ihm alles erzählen, er würde ihm sagen, warum alles passiert war, und dann würde es besser werden.
    Seine Beine schmerzten, und es war kalt, seine Schuhe und Strümpfe waren durchnässt, und der Schneematsch reichte bis zu seinen Knien.
    Als der Polizist gekommen war, hatte sich Vesa hinter den Bäumen versteckt. Fast hätte der Polizist ihn sehen können, Vesa hatte ihn erst spät bemerkt, er hatte auf dem Grundstück gestanden und kontrolliert, ob der Name auf dem Briefkasten stimmte. Sanna und Kimmo Joentaa.
    Kimmo Joentaa hatte ein sehr schönes Haus, eines, in dem Vesa gern gelebt hätte, er wusste noch nicht, wie es

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