Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
selbst ausgewichen war, zum Lachen gebracht.
Während er Richtung Innenstadt fuhr, dachte er an Lauri, den kleinen grauhaarigen Mann, der vermutlich immer noch schützend seine Hände über Tommy Lehmus’ Spielkarten legte.
17
Es war ein Schlag ins Gesicht gewesen, und der Schlag hatte ihn betäubt. Er sah Tommy und spürte eine Angst, die anders war, viel tiefer und größer als alle Ängste, die er je gespürt hatte.
Warum kam Tommy nicht auf ihn zu, warum kam er nicht und sagte ihm, dass alles in Ordnung war, warum lachte er nicht? Ausgerechnet heute, wo er selbst die ganze Zeit hätte lachen wollen, lachte Tommy nicht. Tommy saß auf einer Bank und sah direkt in seine Richtung, auf den Parkplatz, aber er sah ihn nicht, er starrte an ihm vorbei ins Leere.
Der Polizist war gegangen. Auch der Polizist hatte ihn nicht gesehen, obwohl er kaum zwanzig Meter entfernt in seinen Wagen gestiegen war. Der Polizist hatte traurig ausgesehen, und auch Tommy sah sehr traurig aus, er konnte das aus der Entfernung nur erahnen, aber es sah so aus, als würde Tommy weinen.
Warum weinte er?
Er hatte doch alles dabei, um Tommy fröhlich zu machen, er hatte Geschenke dabei, Lakritzstangen und eine Tafel Nussschokolade, die Tommy besonders mochte.
Er wäre so gern ausgestiegen und hätte Tommy gesagt, dass er nicht traurig sein müsse, aber er konnte nicht. Er blieb so lange reglos sitzen, bis er begriff, dass er auf keinen Fall aussteigen durfte, er durfte jetzt nicht mit Tommy sprechen, vielleicht durfte er nie wieder mit Tommy sprechen, und dieser Gedanke war so überwältigend, dass er alles andere unter sich begrub.
Der Polizist hatte mit Tommy gesprochen, und das bedeutete, dass etwas schiefgegangen war. Er musste darüber nachdenken, erst wenn er begriff, was passiert war, würde er wissen, was er als Nächstes tun musste.
Im Moment wusste er nur, dass er nicht zu Tommy gehen durfte, denn Tommy konnte ihm jetzt nicht mehr helfen.
Er legte den Rückwärtsgang ein, wendete und entfernte sich von dem weißen Haus, dem Heim, in dem Tommy arbeitete. Er war selten dort gewesen, er mochte dieses Heim nicht.
Er sah durch den Rückspiegel, dass Tommy immer noch auf der Bank saß, er schien sich gar nicht zu bewegen, aber er wurde immer kleiner.
Vesa dachte, dass Tommy weit weg sein würde, und auch Jaana würde weit weg sein, beide würden ihm nicht helfen können, beide würden ihm nicht helfen wollen, solange er nicht begriff, was er falsch gemacht hatte.
18
Daniel Krohn stellte sich vor, dass es immer so sein würde.
Er würde auf diesem Sofa sitzen und durch eine Glasscheibe einen See sehen.
Er, Daniel, würde immer derselbe sein, nur das Bild draußen würde sich ändern. Es würde weiß und grau sein, wie jetzt. Es würde grün sein, es würde orange und dunkelblau sein, rot und gelb.
Irgendwann würde es wieder weiß und grau sein.
Er würde reglos auf dem Sofa sitzen und zusehen, wie sich das Bild auf immer gleiche Weise veränderte.
Er spürte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Er wusste nicht, seit wann er lächelte und warum. Er registrierte, dass er sein Mobiltelefon in den Händen hielt, er konnte sich nicht erinnern, es aus seiner Jackentasche genommen zu haben. Hatte er jemanden anrufen wollen?
Vermutlich.
Marion vielleicht. Oder Oliver.
Seit seiner Ankunft nahm er sich ständig vor, sie anzurufen, aber er hatte nur einmal kurz mit Marion gesprochen, mit Oliver gar nicht. Vermutlich stand Oliver kurz vor dem Kollaps, weil sein Text über den Politiker ausblieb.
Er hatte Oliver nicht angerufen, obwohl er am Morgen noch ganz sicher gewesen war, es zu tun.
Er hatte bleischwer auf dem Stuhl in der Küche geschlafen, stundenlang. Erst gegen Mittag war er aufgewacht, und es hatte anschließend noch einmal quälend lange gedauert, bis er in der Lage gewesen war, aufzustehen und darüber nachzudenken, was er mit diesem Tag anfangen würde.
Er würde mit diesem Tag überhaupt nichts anfangen. Er würde keine griffigen Sätze für Oliver und den grauen Herrn Glanz formulieren. Er hatte nicht die geringste Lust dazu, und der Gedanke an Oliver, der in der Agentur wutschäumend jeden niedermachte, der seinen Weg kreuzte, ließ ihn kalt.
Für eine Weile hatte er darüber nachgedacht, nach Jaana Ilander zu suchen. Der Gedanke hatte ihn wieder gereizt, wie in der Nacht, als er nicht schlafen konnte, der Gedanke, mit Menschen zu sprechen, die Jaana gekannt hatten. Menschen, die ihm sagen konnten, was Jaana Ilander
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