Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
sagte Niemi und ging, um seine Mitarbeiter zu informieren, offensichtlich nicht gewillt, sich von Ketola hetzen zu lassen.
»Wo bleibt der denn?«, rief Ketola von draußen.
Joentaa kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo Ojaranta schlaff auf dem Sofa saß, als habe er sich in den vergangenen Minuten nicht bewegt. Joentaa setzte sich in den Sessel gegenüber. Er wollte Ojaranta ansprechen, aber der kam ihm zuvor.
»Ich habe meine Frau betrogen, wissen Sie.« Er sah Joentaa stechend in die Augen. »Nach Strich und Faden, gnadenlos, ohne Ende.« Joentaa sah ein Lächeln in seinem Gesicht, ein irres, verzweifeltes Lächeln. Er wich dem Blick aus und überlegte, ob der Mann möglicherweise einen Nervenzusammenbruch erlitt und was er in diesem Fall tun müsse.
Ich weiß gar nicht, woran man einen Nervenzusammenbruch erkennt, dachte er verwirrt.
»Ich war natürlich geschäftlich in Stockholm, nein, nein, ist ja keine Frage, alles fast rein geschäftlich«, sagte Ojaranta. »Aber die Geschäfte hätten warten können, verstehen Sie?«
»Herr Ojaranta …«, begann Joentaa.
»Attraktiv, 27, blonde Haare, jünger als meine Frau …« Ojaranta redete wie im Rausch. »Hübscher, versteht sich, sehr charmant, von Beruf Marketing-Sekretärin oder so was, keine Ahnung, was das sein soll.« Er atmete durch. »Wissen Sie, wann ich meine Frau kennengelernt habe? Vor zwölf Jahren. Und wissen Sie, wie lange ich sie betrogen habe?« Er sah Joentaa erwartungsvoll an, große Augen im blassen Gesicht. »Zwölf Jahre, reine Gewohnheit.« Er ließ sich in den weichen Bezug des Sofas zurücksinken.
»Ich möchte, dass Sie mir jetzt helfen, Herr Ojaranta«, sagte Joentaa.
Der kräftige Mann sah ihn lethargisch an, offensichtlich hatte er nichts mehr zu sagen. »Ich möchte, dass Sie mit mir kommen«, sagte Joentaa und stand auf. Ojaranta erhob sich schwerfällig. Joentaa stellte fest, dass der Mann noch größer war, als er zunächst gedacht hatte, gut einen Kopf größer als er selbst, ein Riese.
»Was soll das jetzt?«, fragte Ojaranta, der sich wieder unter Kontrolle zu haben schien. Joentaa hatte den Eindruck, dass ihm der Ausbruch schon peinlich war.
»Ich möchte, dass Sie mir sagen, ob irgendetwas anders ist im Haus. Ist etwas da, was vorher nicht da war, fehlt etwas, ist etwas verstellt …«
Er ging voran. Ojaranta folgte widerwillig. »Es ist alles, wie es immer war«, sagte er und stöhnte leise, vermutlich weil ihm auffiel, wie absurd dieser Satz war.
Sie gingen von Raum zu Raum, Ojaranta schüttelte jedes Mal nur den Kopf. Am Schlafzimmer lotste ihn Joentaa vorbei mit der Begründung, dort arbeiteten noch die Spurensicherer. In seinem Arbeitszimmer, einem protzig eingerichteten großen Raum, ging Ojaranta, wie von einer unvermittelten Ahnung erfasst, direkt auf ein Bild zu, hinter dem sich ein Tresor verbarg. »Nichts, unberührt«, sagte er.
»Ihre Frau scheint den Täter selbst ins Haus gelassen zu haben«, sagte Joentaa. »Es war kein Einbrecher.«
Ojaranta starrte ihn an. Joentaa hatte den Eindruck, dass zum ersten Mal jenseits der Tatsache, dass seine Frau nicht mehr lebte, die Frage nach dem Täter in sein Bewusstsein drang. »Kein Einbrecher?«, sagte er leise. Joentaa nickte.
»Was ist hier eigentlich passiert?«, flüsterte Ojaranta. Joentaa glaubte für einen Moment, in der verzweifelten Ratlosigkeit des Mannes den Schlüssel zur Lösung für das Szenario in diesem Haus zu sehen, das ihm zunehmend merkwürdig und unwirklich erschien.
Irgendetwas ist hier nicht, wie es sein sollte, dachte er und fand den Gedanken sofort unpassend. An einem Ort, an dem ein Mensch ermordet wurde, konnte nie alles so sein, wie es sein sollte.
Er hatte den Eindruck, den Tatort bislang als Außenstehender betrachtet zu haben, die ganze Szene, die tote Frau im Sonnenlicht, den hünenhaften verzweifelten Mann, die routiniert arbeitenden Polizisten, alles nur eine oberflächliche und vorübergehende Ablenkung von dem, was ihn eigentlich beschäftigte. Während er das dachte, fragte er sich, wie er hier mit einem fremden Mann über dessen tote Frau sprechen konnte, obwohl Sanna gestorben und sein eigenes Leben aus den Fugen geraten war.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Ojaranta und sah ihn misstrauisch an. Für einen Augenblick spürte Joentaa den Impuls, dem Mann von Sanna zu erzählen, von ihrer Krankheit und ihrem Tod. Er verwarf den Gedanken sofort.
Sie gingen die Treppe hinunter. Im Weinkeller und in der Sauna sicherten Niemis
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