Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
zurück …«, sagte Ketola.
»Ich war geschäftlich unterwegs, eine Woche, in Stockholm«, murmelte Ojaranta vor sich hin, ohne den Blick zu heben. »Ich kam gegen halb neun hier an … ich dachte, dass meine Frau noch schläft …« Er setzte sich aufrecht und sah Ketola direkt ins Gesicht. »Es war ja alles in Ordnung, wir haben gestern Nachmittag noch telefoniert …«
Joentaa bildete sich ein, in seinen Augen den irren Gedanken zu sehen, den auch er gedacht hatte: alles ungeschehen machen zu können, in den Alltag zurückzukehren, wenn es nur gelänge, den Moment der Katastrophe zu tilgen.
»Sogar als ich sie im Bett liegen sah, dachte ich, dass sie schläft«, sagte Ojaranta matt und sackte wieder in sich zusammen. »Das Kissen … es war, als hätte sie sich in das Kissen vergraben, aber ich dachte … Ich ging in die Küche, trank Kaffee und las Zeitung. Ich hatte sie tot im Bett liegen sehen und las Zeitung, weil ich glaubte, sie schlafe nur, verstehen Sie …«
Ketola nickte vage mit dem Kopf. »Was dann?«, fragte er, als Ojaranta in Lethargie zu versinken schien.
»Ich ging nach einer Weile wieder ins Schlafzimmer und wollte sie wecken … wir hatten uns ja eine Woche nicht gesehen … ich sah dann sehr schnell, dass etwas nicht stimmte, weil sie irgendwie …«
»Herr Ojaranta …«
»Ich verstehe das alles nicht …«
Ketola wollte neu ansetzen, aber sein Handy meldete sich mit einer fröhlichen Melodie, die weder zu Ketola noch zur Situation passte. Ketola sprang auf und zerrte ungeschickt das Telefon aus seiner Jackentasche. »Entschuldigung, Moment.« Er trat an die Terrassentür, die auf einen farbigen, peinlich gepflegten Garten hinausführte.
Joentaa hörte ihn im Hintergrund Flüche ausstoßen. Er wollte sich gerade an Ojaranta wenden, als Niemi ihm von hinten auf die Schulter klopfte. »Komm doch mal einen Moment«, sagte er.
Joentaa folgte ihm in die Küche. Niemi begann in fahrigen, unvollständigen Sätzen, seine ersten Erkenntnisse vorzutragen. Nach wenigen Sekunden brach er ab. »Kimmo, das mit deiner Frau … wenn ich irgendwie helfen kann, stehe ich zur Verfügung, jederzeit …«
Joentaa wollte reagieren, aber er brachte kein Wort heraus. Du könntest sagen, dass es nicht wahr ist, und sie zurückbringen, dachte er.
»Hast du schon irgendetwas entdeckt, etwas Ungewöhnliches?«, sagte er und spürte mit Unbehagen, wie halbherzig er die Frage gestellt hatte und wie wenig er an einer Antwort interessiert war.
»Es gibt tatsächlich etwas …«, begann Niemi zögerlich.
Joentaa sah ihn fragend an.
»Wir haben sämtliche Türen und Fenster im Haus überprüft. Und keine Anzeichen gewaltsamen Eindringens gefunden.«
Joentaa nickte abwesend.
»Sehr wahrscheinlich gibt es auch keine brauchbaren Fingerabdrücke. In jedem Fall werde ich das Weinglas und die Flasche untersuchen.«
»Was meinst du?«, fragte Joentaa.
»Das Erste, was ich nach meiner Ankunft im Wohnzimmer gefunden habe, waren eine zur Hälfte geleerte Flasche Rotwein und ein leeres Glas, aus dem der Wein offensichtlich getrunken wurde.«
»Vermutlich von Frau Ojaranta«, sagte Joentaa irritiert.
»Oder vom Täter, falls wir auf dem Glas keine Fingerabdrücke finden.«
»Wie kommst du darauf?«
»In der Spüle lag ein anders geformtes Glas, und auf der Ablage stand eine andere Flasche Wein, ein Weißer, ebenfalls noch nicht geleert. Als hätten zwei Personen getrunken, aber nicht zusammen und zu verschiedenen Zeitpunkten. Ich habe den Ehemann gefragt, aber der wusste von gar nichts. Als ich ankam, saß er noch im Schlafzimmer und hat seine Frau angestarrt. Er sagte, er sei vor meiner Ankunft noch gar nicht im Wohnzimmer gewesen.«
»Vermutlich hat Frau Ojaranta von beiden Weinen getrunken.«
»Kann sein. Wir werden sehen. Ansonsten habe ich noch nichts. Ich fahre jetzt los. Sobald ich mehr weiß, melde ich mich.«
Joentaa nickte.
»Sie können mich mitnehmen, Kari«, rief Ketola, der auf sie zukam und sein Funktelefon schwenkte. »Nurmela hat eine Pressekonferenz angesetzt zum Anschlag auf Järvi. Natürlich ohne mich zu informieren.« Er sah auf die Uhr. »Ich muss in einer halben Stunde dort sein. Weiß gar nicht, was ich denen erzählen soll. Schwachsinn.« Er wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Sie machen hier weiter, Kimmo, wir sprechen am Nachmittag.«
Bevor Joentaa etwas erwidern konnte, war Ketola schon mit zackigen Schritten ins Freie verschwunden.
»Bis nachher«,
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