Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
arrangiert haben, wie alles, was er gesehen hatte.
Das zweite Kissen fehlte. Joentaa war kurz irritiert, dann erinnerte er sich an Laukkanens erste Einschätzung und begriff, dass die Frau vermutlich mit diesem Kissen erstickt worden war. Niemi hatte es natürlich sichergestellt.
Joentaa ging nach draußen. Als er in die brütend heiße Sonne trat, wurde ihm übel. Für einen Moment fürchtete er, sich übergeben zu müssen. Die Sanitäter lehnten sich gegen ihr Fahrzeug und amüsierten sich über irgendetwas. Joentaa schluckte den Brechreiz hinunter und bat sie, die Leiche wegzubringen.
»Geht klar, Chef«, sagte einer der beiden. Joentaa spürte den Impuls, ihn anzuschreien, ohne genau zu wissen, warum. Er wollte zurück ins Haus gehen, als ihm aus dem inzwischen großen Pulk der Neugierigen eine korpulente Frau in den Weg trat. Sie trug einen Trainingsanzug.
»Sind Sie Polizist?«, fragte sie zögernd.
Joentaa nickte und wollte die Frau stehen lassen.
»Ich möchte Ihnen etwas sagen.«
»Bitte.«
»Mein Mann und ich wohnen da drüben«, sagte die Frau und deutete auf einen großen weißen Holzbungalow mit einem blumenübersäten Vorgarten, der seitlich versetzt zum blauen Haus der Ojarantas stand. »Wir sind ja fast Nachbarn. Schrecklich, was passiert ist. Es stimmt doch, dass Frau Ojaranta …?«
»Was möchten Sie mir sagen?«
»Gestern Nacht, sehr spät …«
»Ja?«
»Das Licht wurde angeschaltet.«
»Licht?«
»Ja. Ich war wach und hatte eine Tablette genommen. Darf ich eigentlich gar nicht, aber ich konnte vor Schmerzen nicht schlafen. Seit meiner Thrombose schlafe ich sehr schlecht …«
»Wo brannte Licht?«
»Bei Ojarantas im Wohnzimmer.«
»Wann? Wie viel Uhr war es genau?«
»Halb drei, denke ich.« Sie überlegte. »Ja, ganz sicher, kurz nach halb drei. Als ich aufgestanden bin, habe ich auf die Uhr geschaut. Ich war natürlich überrascht, sonst ist immer alles dunkel … ich stehe häufig um diese Zeit am Fenster.«
»Das Licht wurde an- und wieder ausgeschaltet?«
»Ja, aber erst nach einer Weile. Es blieb bestimmt eine halbe Stunde hell.«
»Konnten Sie etwas sehen, Frau Ojaranta vielleicht oder eine andere Person …«
»Nein, wie denn? Da stehen doch die Bäume im Weg«, sagte sie und deutete auf den Garten der Ojarantas. »Ich konnte nur sehen, dass Licht brannte.«
Joentaa nickte. »Und Sie sind sich ganz sicher, was die Zeit anbelangt …«
»Natürlich«, sagte die Frau mürrisch. »Glauben Sie mir, ich möchte nur helfen …«
»Ich danke Ihnen. Wir werden heute, spätestens morgen, noch einmal auf Sie zukommen, um Ihre Aussage aufzunehmen.«
Er reichte ihr die Hand und ging schnell ins Haus, bevor sie dazu kam, ihm weitere Fragen zu stellen.
Ojaranta lag im Wohnzimmer verkrampft auf dem Sofa, seine geschlossenen Augen zuckten. Joentaa wollte ihn ansprechen, bemerkte dann aber, dass er in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Obwohl die Sonne den großen Raum überflutete, wurde Joentaa kalt.
Du solltest nicht hier sein, dachte er.
Die Sanitäter trugen die Tote an ihm vorbei. Einer kaute Kaugummi.
Ich muss jetzt gehen, dachte er.
»Wo bringen die meine Frau hin?«, rief Ojaranta, der plötzlich neben ihm stand, auf schwachen Beinen, verschlafen und gleichzeitig hellwach.
»Sie muss obduziert werden, in der Gerichtsmedizin«, sagte Joentaa. Ojaranta nickte. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber nach einigen Sekunden schlurfte er träge zum Sofa zurück.
Joentaa ging, ohne sich zu verabschieden.
Er sah durch den Rückspiegel, wie das blaue Haus immer kleiner wurde und schließlich ganz verschwand, als er den Abhang Richtung Innenstadt hinunterfuhr. Er musste häufig abbremsen und warten, weil ganz Naantali den Weg zum Strand einzuschlagen schien. Männer in Badehosen, Frauen in Bikinis, alle sichtlich begeistert über die späte Ankunft eines Sommers, an den sie nicht mehr geglaubt hatten.
Joentaa wartete und zwang sich zu lächeln, wenn ihn ein zufälliger Blick traf.
Das Bild der toten Frau in dem blauen Holzhaus war schon verschwunden und mit ihm die Frage nach der Geschichte hinter dem Bild. Er dachte an Sanna und daran, dass sie den Strand von Naantali sehr gemocht hatte.
Er dachte, dass er nie wieder an diesen Strand gehen würde.
Er fuhr zu einem Bestattungsinstitut in Turku. Unzählige Male war er in vergangenen Jahren an dem dezent mit Blumen und schwarzen Tüchern geschmückten Schaufenster vorbeigegangen, ohne jemals auf die Idee zu kommen
Weitere Kostenlose Bücher