Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Mitarbeiter Spuren.
»Was könnte hier passiert sein, Herr Ojaranta?«, fragte Joentaa.
Er erhielt keine Antwort. Ojaranta zuckte nur kaum merklich mit den Schultern.
»Wen könnte Ihre Frau hereingelassen haben?«, fragte Joentaa und bemerkte, während er die Worte aussprach, einen Widerspruch, einen logischen Fehler im Bild, der ihm bisher nur unterschwellig bewusst geworden war. Die Frau hatte eine Person hereingelassen, um sich anschließend ins Bett zu legen. Oder war sie erst nach ihrem Tod vom Täter dorthin gebracht worden? Hatte der Mörder ihr das Nachthemd angezogen? Er wusste zu wenig, er hatte das Gefühl, überhaupt nichts zu begreifen.
Ojaranta schien nicht gehört zu haben, was er gesagt hatte. Er sah ihn mit leerem Blick an und setzte sich unvermittelt in Bewegung, als sei ihm jetzt klar geworden, was er tun müsse. Er ging die Treppe hinauf, ohne sich weiter um Joentaa zu kümmern. Joentaa folgte, aber als Ojaranta oben ankam, schien sein Tatendrang schon versiegt zu sein.
»Ich muss mich hinlegen, mir ist schlecht«, sagte er und ging Richtung Wohnzimmer. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich um. »Da fehlt was«, sagte er.
Joentaa folgte seinem Blick und sah im Schatten eines Kleiderschrankes einen Nagel in der Wand.
»Da hing ein Bild«, sagte Ojaranta.
»Was für ein Bild?«
Ojaranta schien überlegen zu müssen. »Irgendein Bild, eine Landschaft, glaube ich.«
»Sie haben hier im Flur ein Bild hängen und wissen nicht, was drauf ist?«, sagte Joentaa und bereute sofort den aggressiven Tonfall.
»Eine Landschaft eben«, sagte Ojaranta. »Ich war ja heilfroh, dass das Bild hinter dem Schrank hing. Eine Freundin meiner Frau hat es gemalt, in irgendeinem Malkurs, Volkshochschule, was weiß ich …« Jetzt sehe ich ihn, wie er auch ist, wie er meistens ist, dachte Joentaa. Ein Mann, der es gewohnt ist, sich selbst hoch zu schätzen und andere gering.
»Sind Sie sicher, dass das Bild noch dort hing, als Sie Ihre Reise antraten?«, fragte Joentaa.
»Natürlich hing es da, es hing seit Jahren da.«
»Könnte Ihre Frau das Bild abgehängt haben?«
»Wüsste nicht, wieso.« Ojaranta schien das Interesse an dem Bild und seinem Verschwinden bereits verloren zu haben. Er wandte sich ab. Joentaa hatte das Gefühl, statt mehr immer weniger zu verstehen.
»Für Sie«, rief ein Mitarbeiter der Spurensicherung, der auf ihn zukam und ihm sein Mobiltelefon reichte.
Es war Niemi. »Dein Handy ist ausgeschaltet«, sagte er.
Joentaa griff instinktiv in die Innentasche seiner Jacke und erinnerte sich gleichzeitig, dass sein Mobiltelefon noch im Krankenhaus lag. Er hatte es zuletzt auf dem Abstelltisch neben Sannas Bett gesehen … dem Bett, in dem Sanna gelegen hatte und in dem jetzt eine alte Frau lag, die er nicht kannte.
Ich muss die Beerdigung in die Wege leiten, dachte Joentaa.
»Wie ich vermutet hatte. Keine Fingerabdrücke am Weinglas.«
»Was …«
»Das Weinglas, das im Wohnzimmer stand. Keine Fingerabdrücke, auch keine an der Rotweinflasche.«
»Das bedeutet …«
»Das bedeutet, dass der Täter offensichtlich im Wohnzimmer gesessen und Wein getrunken hat, ohne Fingerspuren zu hinterlassen.«
Joentaa schwieg.
»Ich wollte dir gleich Bescheid geben«, sagte Niemi.
Joentaa nickte, verabschiedete sich und gab Niemis Mitarbeiter sein Handy zurück. »Was Wichtiges?«, fragte er.
»Ich weiß noch nicht«, sagte Joentaa.
Ich muss raus, dachte er, sofort.
An der Haustür sprach ihn ein Sanitäter an.
»Wir bringen die Tote jetzt weg«, sagte er mit gelangweilter Stimme.
»Moment«, rief Joentaa. Niemis Mitarbeiter waren im Schlafzimmer noch beschäftigt. Joentaa trat an das Bett heran und sah auf die tote Frau hinab. »Ist sie bewegt worden?«, fragte er. Einer der Spurensicherer schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht«, sagte er, ohne den Blick zu heben.
Joentaa betrachtete Laura Ojaranta. Sie lag etwas seitlich auf dem Rücken, ihre Augen waren geschlossen. Eine unnatürliche Starre in ihren Gesichtszügen verriet, dass sie nicht mehr lebte.
Das Bild, das er sah, berührte ihn, obwohl er noch immer das Gefühl hatte, alles aus einer ihm fremden Distanz zu sehen.
Sie wurde im Schlaf überrascht, wie Sanna, dachte Joentaa, und wusste gleichzeitig, dass das eine bloße Vermutung war. Er musste abwarten, was Laukkanen ihm sagen konnte. Die rechte Hälfte des Bettes schien unbenutzt, die Decke lag sorgfältig gefaltet auf dem glatten Laken.
Auch das konnte der Täter
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