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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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bald«, sagte Joentaa.
    »Bis bald, Kimmo.«
    Er legte auf. Während des Gespräches war ihm bewusst geworden, dass er noch etwas vergessen hatte, etwas Wichtiges: Er musste Sannas Freunde, ihre Arbeitskollegen und alle, die sie gemocht hatten, informieren. Viele ihrer Freundinnen hatten sie regelmäßig besucht, am häufigsten Elisa, eine Angestellte des Architekturbüros, in dem Sanna vor ihrer Krankheit so erfolgreich gearbeitet hatte.
    Er sträubte sich gegen den Gedanken, eine Todesanzeige zu formulieren. Wie sollte er Sannas Tod in kurze Worte fassen?
    Um den Gedanken abzuschütteln, griff er wieder nach dem Telefon. Er wählte die Nummer von Merja und Jussi Sihvonen. Nachdem es viermal geklingelt hatte, legte er hastig auf, erleichtert, nicht mit ihnen sprechen zu müssen. Gleichzeitig war seine Sorge um sie größer geworden.
    Er fragte sich, ob sein Vater ihm hätte helfen können, die Situation zu bewältigen. Er bezweifelte es. Er dachte noch eine Weile darüber nach, bis er ganz sicher war, dass er genauso machtlos gewesen wäre wie seine Mutter.
    Er schaltete den Fernseher ein in der Hoffnung, endlich nicht mehr denken zu müssen. Die Spätnachrichten befassten sich ausführlich mit Sami Järvi, dem angeschossenen Politiker. Die Länge des Berichtes stand im Gegensatz zu der Tatsache, dass es offensichtlich überhaupt nichts Neues gab.
    Petri Nurmela, der oberste Dienstherr der Polizei von Turku, sprach einige wenig aussagekräftige Sätze. Ketola saß neben ihm im Blitzlichtgewitter und schien sich unwohl zu fühlen, obwohl er sich alle Mühe gab, stramm aufrecht zu sitzen und ein überzeugendes Gesicht zu machen.
    Auch Sami Järvi selbst kam zu Wort, und Kimmo Joentaa war überrascht, ihn bei bester Gesundheit in einem bunten Garten sitzen zu sehen. Nur eine Armbandage, die er bemüht lässig in Richtung der Kamera hielt, verriet, dass ihm etwas zugestoßen war. Es gehe ihm schon wesentlich besser, sagte er. Seine Kandidatur für die Parlamentswahlen werde er selbstverständlich nicht zurückziehen. Als Joentaa das souveräne Politikerlächeln des Mannes sah, stellte er sich unvermittelt vor, Järvi selbst habe den Anschlag inszeniert, um Stimmen zu sammeln. Er verwarf den Gedanken sofort und ermahnte sich, keine abwegigen Schlüsse zu ziehen, nur weil ein Politiker einen gegen ihn gerichteten Anschlag überlebt und offensichtlich gut verkraftet hatte.
    Er sah sich die Auslandsnachrichten, die Sportnachrichten, den Wetterbericht an, ohne noch irgendetwas aufzunehmen. Seine Gedanken verwirrten sich zwischen Sanna, dem lächelnden Politiker und der Frau, die tot in ihrem Bett gelegen hatte.
    Mit dem Gedanken an sie kam das schlechte Gewissen. Er hatte den ganzen Nachmittag nicht an den Mord in Naantali gedacht. Er musste sich die Frage gefallen lassen, ob Ketola recht hatte. Ob er überhaupt in der Lage war zu arbeiten.
    Er versuchte für einige Minuten, die Bilder, die er in dem blauen Haus gesehen hatte, die verwirrenden Informationen, die er erhalten hatte, aufzuarbeiten, aber er war zu müde. Zum ersten Mal spürte er die Erschöpfung, die sich angestaut hatte in den vergangenen Wochen. Seit er Sanna ins Krankenhaus gefahren hatte, hatte er kaum noch geschlafen.
    Er hoffte, schlafen zu können.
    Nicht mehr denken zu müssen.
    Er wusch sich und zog einen Schlafanzug an, den Sanna ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Als er daran dachte, wollte er ihn ausziehen, aber er zwang sich, das nicht zu tun.
    Er legte sich im Schlafzimmer auf seine Seite des Bettes und löschte das Licht der Nachttischlampe. Nach wenigen Minuten stand er auf, weil er spürte, dass er im Schlafzimmer nicht bleiben konnte.
    Er ging ins Wohnzimmer. Seine Beine schmerzten, er zitterte.
    Als er auf dem Sofa in der Dunkelheit lag, dachte er, dass er den Menschen finden musste, der die Frau in dem blauen Haus ermordet hatte. Er wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war, und er konnte ihn nicht erklären.
    Er dachte an das Bild, das verschwunden war, und daran, dass Ojaranta nicht wusste, wie es aussah.
    Er versuchte, sich die Landschaft auf dem Bild vorzustellen.
    Der Schlaf erdrückte ihn wie eine hohe Welle.
    Er träumte von Sanna. Es passierte nichts in dem Traum, und er konnte sie nie sehen. Sie war nur Gegenwart, unsichtbar, aber das spielte keine Rolle. Es war ein schöner Traum. Er spürte, dass er lachte, während er schlief, er spürte Tränen auf seinem Gesicht.
    Er wollte nie mehr aufwachen.
    Er war

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