Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Frau Koivuniemi, ob sie sich vorstellen könne, warum ihre Freundin getötet worden war.
»Ich denke, es war ein Einbrecher«, sagte sie irritiert.
Joentaa schwieg einige Sekunden. »Das ist möglich, aber nicht sicher«, sagte er. »Nehmen wir an, es sei kein Einbrecher gewesen. Haben Sie … irgendeine andere Erklärung?«
Sie starrte ihn an.
»Nein«, sagte sie verständnislos.
Joentaa nickte und stand auf.
»Ist es denn denkbar, dass es kein Einbrecher war?«, sagte Jonna Koivuniemi.
»Wir stehen noch am Anfang«, sagte Joentaa.
»Aber das Bild ist doch weg. Es muss ein Einbrecher gewesen sein … es gab hier mehrere Einbrüche in letzter Zeit, die Polizei hat angeblich Ausländer verhört, Einwanderer aus Russland, glaube ich …«
Joentaa sah sie an und fragte sich, warum eine Frau, die so schöne Bilder malte, so eindimensional dachte.
Er nickte und verabschiedete sich.
13
Joentaa fuhr nicht ins Präsidium, sondern ins Krankenhaus.
Rintanen nahm sich die Zeit, ihn zu begrüßen und zu fragen, wie es ihm gehe, obwohl er sichtlich unter Stress stand.
»Es tut mir leid, aber ich muss los«, sagte er nach einigen Minuten. »Eine Operation.«
»Natürlich«, sagte Joentaa. Er wollte ihm dafür danken, dass er sich so viel Zeit genommen hatte für Sanna, aber er brachte die Worte nicht über seine Lippen. Rintanen umschloss fest seine Hand, verabschiedete sich und entfernte sich mit schnellen Schritten. Joentaa sah ihm nach, bis er im Treppenhaus verschwunden war.
Auf seine Anfrage hin händigte ihm eine junge Schwester eine durchsichtige Plastiktüte aus, in der Dinge aus Sannas Krankenzimmer lagen.
Sie sah ihn mitfühlend an.
Er beeilte sich, das Krankenhaus zu verlassen. Als er im Wagen saß, legte er die Tüte auf den Beifahrersitz, auf dem Sanna immer gesessen hatte.
Er wollte weinen, aber es ging nicht.
Er öffnete die Tüte und breitete die Sachen auf dem Sitz aus.
Auf der Mailbox des Handys war auch eine Nachricht von Elisa, Sannas Arbeitskollegin aus dem Architekturbüro. Sie erzählte von einer Sitzung, die lange gedauert habe, und kündigte mit gezwungen fröhlicher Stimme ihren Besuch an.
Bis bald, sagte sie.
Joentaa nahm sich vor, sie am Abend anzurufen. Sie und auch Sannas Eltern.
Er blätterte in einem Buch, das in der Tüte gelegen hatte. Er erinnerte sich, dass Sanna ihm mehrfach gesagt hatte, es gefalle ihr sehr gut, es sei lustig. Im Krankenhaus hatte sie nur noch selten darin gelesen, aber in der letzten Woche, die sie zu Hause gewesen war, hatte sie es ständig in den Händen gehabt.
Sie hatte häufig laut gelacht und ihm zugerufen, was gerade passierte.
Er hatte gelächelt und so getan, als würde er zuhören.
Er war nicht in der Lage gewesen, etwas anderes zu denken als an die Angst vor ihrem Tod.
Ein Lesezeichen verriet die Seite, auf der Sanna ihre Lektüre abgebrochen hatte.
Er nahm sich vor, das Buch zu lesen und ihr zu erzählen, wie es endete.
14
Er kehrte ins Präsidium zurück und rief Laukkanen in der Gerichtsmedizin an. Wie immer wirkte der Pathologe gehetzt, als sei er auf dem Sprung zu einem wichtigen Termin. Joentaa hatte gelernt, das zu ignorieren. Entscheidend war, dass der Mann schnell und gut arbeitete. Auch jetzt hatte er eine Information, die ihn erstaunte.
»Die Obduktion ist nicht abgeschlossen«, sagte er. »Aber ich gehe davon aus, dass die Frau im Schlaf getötet wurde. Es scheint, als habe sie sich kaum wehren können.«
Joentaa schwieg eine Weile, versuchte das, was er gehört hatte, mit dem abzugleichen, was er wusste.
»Was ist Ihrer Ansicht nach genau passiert?«, fragte er. Er hatte festgestellt, dass sich der Pathologe, im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, recht bereitwillig zu detaillierten Ausführungen bewegen ließ, die spekulativ, aber oft hilfreich waren.
»Ich vermute nach wie vor, dass die Frau erstickt wurde«, sagte Laukkanen. »Und nach dem, was ich gesehen und vor allem nicht gesehen habe, scheint der Täter sehr entschlossen, aber auch sehr behutsam gewesen zu sein.«
»Behutsam?«
»Behutsam. Auch wenn das merkwürdig klingt.«
Joentaa schwieg.
»Natürlich sind das nur erste Eindrücke«, sagte Laukkanen.
»Natürlich«, sagte Joentaa. »Ich danke Ihnen.«
Er legte auf.
Er versuchte, die neuen Informationen einzuordnen, aber es gelang nicht. In dem Bemühen, sich zu nähern, entfernte er sich von der toten Frau in dem blauen Haus.
Er dachte an die zierliche Malerin und an ihr entsetztes Gesicht,
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