Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
sich vor, sie zu küssen.
Nach einer Weile sagte er, dass er etwas aus dem Wagen holen müsse.
Während er im Flur das Schlüsselbrett abtastete, fixierte er den Mann in der Küche, der wenige Meter von ihm entfernt eine Zeitung las.
Er wusste, dass er sich nicht zu ihm umdrehen würde. Der Mann würde sich nicht bewegen, solange er das nicht wollte.
Er fand einen Schlüssel, der passte. Er hing an einem Schlüsselbund, er musste ihn erst herauslösen, aber es war nicht schwierig. Er spürte, wie seine Bewegungen flossen, er musste gar nichts tun.
Er ließ den Schlüssel in seine Hosentasche gleiten.
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte sich an das Klavier. Er spielte.
Das Mädchen sagte, er spiele sehr schön.
Er fragte, wie sie heiße, und sie sagte: Margit.
Ihr Vater rief, dass sie langsam zum Volleyballtraining gehen müsse, aber sie wollte nicht. Sie blieb, bis er fertig war. Es störte ihn nicht. Er beherrschte sein Handwerk und genoss die Anerkennung. Als sie im Flur standen, hielt der Mann ihm Geldscheine hin. Er bedankte sich und sagte, dass er noch einmal kommen werde, um den Feinschliff vorzunehmen. Das Klavier sei lange nicht gestimmt worden.
»Da haben Sie allerdings recht«, sagte der Mann. »Passt es Ihnen Ende der Woche?«
Er nickte und ließ sich die Telefonnummer geben.
Margit war zum Klavier gerannt und schlug zaghaft die Tasten an. Er rief ihr einen Abschiedsgruss zu.
Er gab dem Mann die Hand und ging.
Für einen Moment dachte er an Jaana, aber das war nicht wichtig, das war nicht echt.
Wenn er wollte, hatte es Jaana nie gegeben.
13
Am Abend rief Kimmo Joentaa bei Markku Vatanen an.
Er fand die Nummer in seinem Adressbuch. Mehrere Jahre hatte sie dort gestanden, ohne dass er sie jemals gewählt hatte. Markku hatte sie ihm geschickt, als er nach Helsinki gezogen war, um zu studieren.
Joentaa wusste nicht, ob Markku noch studierte. Er wusste nicht einmal, ob er in Helsinki lebte, ob diese Nummer noch stimmte.
Er saß lange mit dem Telefon in der Hand auf dem Sofa und versuchte, das Gespräch vorauszuplanen. Jedem seiner Sätze stellte er eine mögliche Antwort Markkus gegenüber.
Was, wenn sie sich nichts mehr zu sagen hatten?
Er wählte. Während er wartete, hoffte er, dass Markku nicht da wäre. Als Markku abnahm, bemerkte er sofort, dass sich sein Schulfreund so meldete, wie er sich immer gemeldet hatte. Nur mit dem Vornamen.
»Markku.«
Joentaa musste lachen.
»Wie vor 15 Jahren«, sagte er.
»Kimmo?«
Joentaa lachte noch immer. Er wusste nicht genau, warum, aber er spürte die Erleichterung. Als seien die Jahre, die zwischen ihrer Freundschaft und der Entfremdung lagen, schon geschlossen.
»Kimmo, bist du das?«
»Du weigerst dich noch immer, deinen Nachnamen zu nennen«, sagte Joentaa. »Warum eigentlich?«
»Alte Gewohnheit. Schön, dass du anrufst.«
»Ich möchte mich bei dir bedanken.«
Wie einfach es plötzlich war.
»Ich habe mich sehr gefreut, dass du gekommen bist … zur Beerdigung.«
»Das habe ich gern getan. Ich meine …«
»Ich weiß, wie du es meinst«, sagte Joentaa. »Und ich möchte mich entschuldigen, dass ich mich lange nicht gemeldet habe.«
»Unsinn. Ich habe mich doch auch nicht gemeldet«, sagte Markku.
»Trotzdem … was macht dein Studium?«
»Keine gute Frage.« Markku lachte gezwungen. »Ich denke darüber nach abzubrechen. Eigentlich mache ich nur weiter, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll.«
Joentaa realisierte, dass er gar nicht wusste, was Markku studierte. Er versuchte, sich zu erinnern.
Irgendwann hatte er es gewusst.
Markku half ihm. »Ich sitze seit zwei Jahren an meiner Abschlussarbeit über zwei dämliche Dramen von Shakespeare.«
Natürlich. Anglistik. Markku war in England, sogar in Amerika gewesen, als Joentaa sich noch gar nicht bewusst gemacht hatte, dass es auch größere Ortschaften gab als Kitee mit seinen wenigen tausend Einwohnern.
»Ich würde nach wie vor gern Dolmetscher werden. Vielleicht Bücher übersetzen oder im Ausland als Korrespondent arbeiten. Nur wird daraus nichts, wenn ich mein Studium nicht abschließe. Der staatliche Zuschuss ist auch schon aufgebraucht.«
»Du schaffst das schon«, sagte Joentaa, ohne wirklich zugehört zu haben. Er spürte, wie sich seine Gedanken von Markku und seinem Leben, seinen Sorgen entfernten.
Was hat Markku schon für Probleme, dachte er widerwillig, während sein Freund eine Weile schwieg. Joentaa spürte, dass Markku Sannas Tod
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