Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
und wusch sich die Hände und das Gesicht. Er sah sich im Spiegel und stellte sich vor, dass Sanna im Schlafzimmer lag und auf ihn wartete. Er stellte sich vor, dass sie das Buch las, das sie nicht mehr zu Ende hatte lesen können.
    Er hörte sie lachen. Er öffnete die Tür zum Flur und hörte das Lachen lauter. Er wollte nicht, aber er ging über den Flur in Richtung des Schlafzimmers, dessen Tür verschlossen war.
    Er hörte ihr Lachen.
    Er beschleunigte seine Schritte und riss die Tür auf. Er glaubte zu spüren, dass Sanna da war und alles andere in sich zusammenfiel wie der schrecklichste Traum, den er geträumt hatte, aber das Zimmer war leer und kalt, er hatte vergessen, das Fenster zu schließen.
    Er wandte sich ab und schloss die Tür.
    Er würde Markku morgen nicht anrufen.

14
    Als er gerade gehen wollte, kam Tommy.
    Er war in aufgekratzter Stimmung und hatte es nicht eilig. Er erzählte von einem alten Mann, der wieder gehen konnte, nachdem er jahrelang im Rollstuhl gesessen hatte. Tommy arbeitete als Pfleger in einem Altersheim, und er lachte immer, wenn er erzählte, obwohl die Geschichten meistens traurig waren.
    Vesa spürte, dass die Geschichte von dem alten Mann, der wieder gehen konnte, interessant war.
    Er wollte nachfragen, wollte Näheres erfahren, aber er schwieg.
    Er saß Tommy gegenüber und freute sich nicht, dass er da war. So war es noch nie gewesen. Er hörte ihn reden und hoffte, er würde endlich gehen, so unvermittelt, wie er immer ging, aber ausgerechnet heute hatte Tommy alle Zeit der Welt.
    Tommy hatte roten Wein mitgebracht.
    Tommy holte Gläser und schenkte ein.
    Tommy fragte, woher eigentlich das Gemälde über seinem Bett komme, aber es fiel ihm gar nicht auf, dass er keine Antwort gab.
    Tommy redete und redete.
    Er sah seine Worte Richtung Boden rieseln.
    Draußen wurde es dunkel.
    Irgendwann fragte Tommy, wie es ihm gehe und ob die alten Häuser noch stünden.
    Er nickte.
    Tommy grinste schief und fragte noch einmal, ob sicher alles in Ordnung sei.
    Er nickte.
    Er hätte Tommy gern erzählt, wer er wirklich war, aber das würde er nie tun, das durfte er nicht.
    Er kannte Tommy so gut.
    Er bewunderte ihn. Er liebte ihn. Tommy war alles, was er hatte.
    Er verachtete ihn.
    Er schwieg. Er wartete, bis Tommy nichts mehr zu erzählen hatte, und er winkte, als Tommy die Treppe hinunterging. Als er weg war, spürte er einen stechenden Schmerz und rannte zum Fenster.
    Er sah, wie Tommy in der Dunkelheit verschwand.
    Er stellte sich vor, dass Tommy jetzt im Niemandsland war und dass sie sich treffen würden.
    Er weinte.
    Er wünschte, Tommy würde zurückkommen.
    Er wusch die Weingläser ab und stellte die angebrochene Flasche in den Kühlschrank.
    Er schloss die Augen und stellte sich vor, dass Tommy zurückkam. Er kam die Treppen hinauf, er stand schon an der Tür.
    Aber Tommy kam nicht, und weil er nicht kam, war alles seine Schuld.
    Er zog seine Jacke an und ging. Als ihn die Kälte umfing, spürte er die unendliche Freiheit. Die Macht. Die Unbesiegbarkeit.
    Er grüßte Seppo, den fetten Nachbarn, der seinen Hund ausführte.
    Während er fuhr, spürte er ein Lächeln auf seinem Gesicht und die Leere, in der alles, was irgendwann gewesen war, zu nichts verpuffte.
    Seine Welt war einfach.
    Seine Welt war eine Straße und ein Ziel.
    Er parkte den Wagen in einer Seitenstraße und ging langsam auf das Haus zu. Er sah schon von Weitem, dass Licht brannte. Er würde warten müssen, aber das war kein Problem, denn seine Geduld war unendlich.
    Es war kalt, aber er fror nicht.
    Er ging in Richtung des Lichts und sah das Mädchen, Margit, durch das Küchenfenster. Sie saß an dem Tisch, an dem am Nachmittag ihr Vater gesessen und Zeitung gelesen hatte, während er den Schlüssel gesucht hatte. Er umfasste den Schlüssel in seiner Jackentasche und erinnerte sich mit einem wohligen Schauer, wie sicher er gewesen war, dass der Mann sich nicht zu ihm umdrehen würde.
    Er trat nah an das Fenster heran und beobachtete Margit.
    Sie trank Milch und sah unglücklich aus.
    Eine Frau kam, und er erschrak, weil sie gleich anfing zu schreien. Er hörte ihre schrille Stimme durch die Scheibe. Die Frau musste Margits Mutter sein. Sie warf ein Buch vor Margit auf den Tisch. Sie schrie, dass es so nicht weitergehe und dass die Zeiten, in denen sie ihnen auf der Nase herumgetanzt sei, vorbei seien.
    Margit weinte.
    Der Vater kam. Er sagte nichts. Er ging auf Margit zu und gab ihr eine Ohrfeige. Margit schrie,

Weitere Kostenlose Bücher