Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
thematisieren wollte, aber nicht die richtigen Worte fand.
»Ich hätte deine Frau gern kennengelernt«, sagte er schließlich.
»Das wäre schön gewesen«, sagte Joentaa. »Sanna war … besonders.«
Ihm fiel kein besseres Wort ein.
»Erzähl von ihr«, sagte Markku.
Joentaa schwieg, überrascht. »Sie war Architektin«, sagte er schließlich und dachte sofort, dass er keinen unsinnigeren Satz hätte sagen können.
Markku schien darauf zu warten, dass er weitersprach, aber er konnte nicht.
»Wie geht es dir jetzt?«, fragte Markku.
»Ich glaube, ich habe noch nicht richtig begriffen, dass sie nicht mehr da ist. Ich weiß nicht, ob ich das irgendwann wirklich verstehen werde.«
Markku schwieg.
»Am Abend, als sie starb, habe ich gedacht, dass mein Leben stehen bleibt. Und genau das ist passiert. Egal was ich mache, ich lebe irgendwie nicht wirklich.« Joentaa wollte weitersprechen, aber er fand keine Worte, die das, was er gesagt hatte, deutlicher machen konnten.
»Wenn du magst, könnte ich dich bald mal besuchen. Am Wochenende vielleicht«, sagte Markku.
Joentaa freute sich über das Angebot und war gleichzeitig nicht sicher, ob er Markku treffen wollte. Ob er überhaupt jemanden sehen wollte.
»Kann ich dich kurzfristig anrufen?«, fragte er.
»Natürlich. Ich verstehe auch, wenn du im Moment Ruhe haben möchtest.«
»Erinnerst du dich, dass du mal gesagt hast, das Leben sei tragisch, weil es sich auf den Tod zubewege?«
Markku schwieg, verblüfft.
»Dunkel«, sagte er dann. »In der Disko in Kitee?«
»Genau«, sagte Joentaa. Er war erleichtert, dass Markku sich erinnern konnte.
»Ich habe in den letzten Wochen an diesen Satz gedacht. Ich habe damals gelacht, aber eigentlich war ich erschrocken. Mein Lachen war nur Verlegenheit.«
»Ich sehe das inzwischen nicht mehr so einseitig«, sagte Markku. »Und du solltest das auch nicht tun. Ich hatte das nur irgendwo gelesen und wollte mich wichtigmachen.«
»Das ist dir gelungen«, sagte Joentaa.
Er dachte, dass er Markku mochte, und begriff nicht, dass sie sich aus den Augen verloren hatten.
Er versprach, sich wieder zu melden.
Als er in der Stille saß, nahm er sich vor, Markku gleich morgen noch einmal anzurufen, um ihn zum Wochenende einzuladen.
Er schaltete den Fernseher ein und gleich wieder aus.
Er sah auf den See, der im Dunkel glitzerte.
Er dachte, dass schon bald Schnee fallen und auf dem See Kinder Eishockey spielen würden. Sanna hatte häufig gelacht, aber besonders herzhaft, wenn er versucht hatte, auf Schlittschuhen zu laufen.
Er dachte, dass Mittwoch war und dass er mittwochs abends ab und zu Handball gespielt hatte. Ehrgeizig. So ehrgeizig, dass sich die anderen manchmal amüsiert hatten. Er war über einen Arbeitskollegen von Sanna in die Gruppe gekommen. Einige Male war er nach dem Spiel mit den anderen in eine Kneipe gegangen, hatte Bier getrunken und sich ihre Geschichten angehört. Hatte sich angehört, dass bei allen alles schiefging und er ja ohnehin der Glücklichste sei.
Er fragte sich, warum er jemals Interesse daran gehabt hatte, ein Handballspiel zu gewinnen.
Er dachte, dass er in Turku niemanden hatte, der ihm wirklich wichtig war. Er dachte an Kerttu Toivonen, er sah unscharf ihr Gesicht und ihre Augen, er sah sie allein in ihrer Wohnung sitzen.
Er stellte sich vor, sie anzurufen und zu fragen, wie es ihr gehe.
Er wollte es nicht, aber er sah sich in ihrem Schoß liegen. Sie streichelte ihn. Er war ganz ruhig und hörte zu, während sie von ihrer Schwester erzählte.
Ihre Stimme war weich und hell und schläferte ihn langsam ein. Irgendwann sagte sie ihm, wer ihre Schwester getötet hatte. Sie sagte es in einem kurzen Satz, dessen Bedeutung er zunächst nicht begriff. Erst als sie schwieg, verstand er, dass sie etwas Wichtiges gesagt hatte.
Er wollte sie bitten, den Satz zu wiederholen, aber Kerttu Toivonen beugte sich über ihn und leckte sein Gesicht. Er wollte sie abwehren und fragen, was sie gerade gesagt hatte, aber bevor er sprechen konnte, kam eine zweite Frau, die seinen Nacken streichelte, er sah sie nicht, aber er wusste, dass es Annette Söderström war. Er roch das süße Parfüm aus der Jugendherberge. Er wollte sich umdrehen, aber es ging nicht. Er spürte, dass er eine wichtige Frage stellen musste.
Bevor er sie aussprechen konnte, erwachte er.
Er stand sofort auf und suchte im Dunkel nach dem Lichtschalter. Als das Zimmer hell erleuchtet war, beruhigte er sich langsam.
Er ging ins Bad
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