Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
und der Becher, der vor ihr auf dem Tisch gestanden hatte, fiel auf den Boden.
Vesa trat einen Schritt zurück in die Dunkelheit. Er fixierte den Mann hinter der Glasscheibe, dessen Gesicht vor Wut verzerrt war. Er sah vollkommen anders aus als der freundliche Mann, der er am Nachmittag gewesen war.
Die Mutter stand verkrampft gegen die Wand gelehnt. Margit saß einige Sekunden wie erstarrt, dann sprang sie auf und rannte aus dem Raum.
Er inhalierte die Angst in ihren Augen.
Auch die Mutter weinte, sie schrie ihren Mann an. »Was meinst du, was Margit noch von dir hält nach deiner Affäre?!«
Vesa trat wieder ans Fenster. Er hörte, wie der Vater sich rechtfertigte, wie seine Wut abebbte und in halbherzige Erklärungen mündete. »Margit muss lernen, dass nicht immer alles läuft, wie sie sich das vorstellt.«
Vesa lachte.
Er hob ruckartig die Arme, nahm den Vater und zog ihn in Richtung der Frau, die noch immer an der Wand lehnte. Er dirigierte ihn so, dass er lächerlich hilflose Gesten machte, und die Mutter ließ er sagen, dass er zu Margit gehen und sich entschuldigen solle.
Diese Menschen waren seine Marionetten.
Er ließ den Mann auf die Frau zugehen und zwang die beiden in eine Umarmung, kurz, dann riss er sie auseinander. Die Mutter ließ er weinen, den Vater schickte er nach oben zu Margit, von der er wusste, dass sie auf ihrem Bett lag. Die Tür zu ihrem Zimmer hatte sie abgeschlossen, sie weinte, den Kopf ins Kissen vergraben. Er las ihre Gedanken. Er las, dass sie an den netten jungen Mann dachte, der am Nachmittag das Klavier gestimmt und ihr zugehört hatte.
Wenn er wollte, konnte er alles von ihr haben.
Er schloss die Augen und sah den Mond.
Er wandte sich vom Fenster ab und ging mit langen Schritten durch den kleinen Vorgarten zur Eingangstür. Er drehte den Schlüssel im Schloss und stand im Dunkel, im Zentrum.
Er hielt den Atem an. In der Küche brannte Licht. Die Tür war angelehnt. Er hörte das unterdrückte Weinen von Margits Mutter.
Er ging langsam die schmale Treppe hinauf und über den Flur zu Margits Zimmer. Die Tür war verschlossen. Er beugte sich vor und hörte dumpf die Stimme von Margits Vater.
»Es tut mir leid, dass das passiert ist«, sagte er. »Aber ich kann es nicht ungeschehen machen.«
»Hau ab«, sagte Margit.
»Ich mag deine Mutter genauso, wie ich sie immer gemocht habe«, sagte der Vater.
Margit schwieg.
Er schloss die Augen und sah sie auf dem Bett liegen. Sie starrte an die Wand und wartete darauf, dass ihr Vater das Zimmer verlassen würde.
»Irgendwann werden wir darüber reden müssen«, sagte der Vater.
Margit schwieg.
Vesa tauchte ins Dunkel. Er kauerte sich in eine schmale Nische zwischen zwei Wandschränken und wartete. Er hörte, wie sich die Tür öffnete, und sah einen Schatten, als Margits Vater an ihm vorbeilief und die Treppe hinunterging.
Er hörte ihn atmen.
Margits Mutter stand am Fuß der Treppe.
»Und?«, fragte sie. Ihre Stimme war kühl.
Der Vater antwortete nicht. Er ging ins Wohnzimmer, ließ sich in einen Sessel fallen und schaltete den Fernseher ein.
Vesa hörte die Stimme eines Quizmasters, dessen Sendung er ab und zu schaute. Ein Ratespiel für Paare. Er zog sich in die Nische zurück und lehnte sich gegen die Wand.
Die sonore, klare Stimme des Mannes im Fernsehen schläferte ihn ein. Er fühlte sich ganz leicht.
Nach einer Weile begann Margits Mutter, auf ihren Mann einzureden. Margits Vater schwieg, bis sie irgendwann sagte, sie wolle sich scheiden lassen.
Vesa hörte den Mann lachen.
»Das glaubst du selbst nicht«, sagte er und stellte den Fernseher lauter.
Der Moderator fragte einen Kandidaten, ob seine Verlobte lieber ins Kino oder ins Theater gehe.
»Ich habe dir gesagt, dass es mir leidtut«, sagte Margits Vater.
Im Fernseher lachte das Publikum, weil sich der Kandidat in seiner Verlobten getäuscht hatte.
»Ich gehe schlafen«, sagte Margits Mutter.
Sie ging ins Bad und wusch sich. Nach einigen Minuten war es still. Das Quiz ging zu Ende. Während das Publikum klatschte, begann schon die Musik für den Abspann.
Dann kam Werbung. Vesa mochte Werbung nicht. Nach der Werbung kam ein alter finnischer Film. Vesa kannte ihn. Manchmal sah er sich diese Filme an. Er wusste, dass das lächerlich war, Tommy hatte ihm das mehrfach klargemacht, aber es war schön, dass in alten finnischen Filmen die Welt immer in Ordnung war.
Irgendwann schaltete Margits Vater den Fernseher aus.
Als es still war, hörte Vesa,
Weitere Kostenlose Bücher