Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
seinen tiefen Augen verborgen.
Irgendwann brach er ab und entschuldigte sich, dass er sie am Morgen nicht in seine Wohnung gelassen habe. »Es ging mir nicht gut«, sagte er.
»Kein Problem. Ich mag solche Überraschungen«, sagte sie und lachte. »Und außerdem bist du jetzt hier.«
»Du musst doch böse auf mich sein.«
»Vergiss es einfach.«
Er nickte und schwieg. Als Jaana sicher war, dass er von selbst nicht weiterreden würde, fragte sie ihn, warum er immer einfarbig gekleidet sei.
Vesa sah sie erstaunt an.
»Mal bist du rot, dann blau, heute ganz schwarz. Als ich dir gestern nicht willkommen war, warst du ganz weiß. Eine Macke oder ein Modetick?« Sie grinste.
»Es gefällt mir so«, sagte Vesa.
»Aha.« Jaana schüttelte den Kopf und fragte ihn, ob er etwas essen wolle.
»Du musst wahrscheinlich früh aufstehen«, sagte er.
»Nicht früher als du. Ihr fangt doch im Handwerksmuseum um zehn an.«
Vesa nickte. »Ich möchte nichts essen, danke. Wer ist der Junge auf den Fotos?«
Jaana folgte seinem Blick Richtung Wand.
»Daniel«, sagte sie.
»Seid ihr zusammen?«
»Nein.«
»Ein Foto von ihm hängt auch im Wohnzimmer.«
»Wir waren mal zusammen, aber nicht mehr. Er wohnt in Deutschland.«
Vesa nickte.
»Wenn er hier überall hängt, magst du ihn aber.«
»Hätte ich gewusst, dass du neugierig bist, hätte ich dich nicht reingelassen.«
»Tut mir leid.«
»Was hältst du davon, zumindest noch ein paar Stunden zu schlafen?«, fragte sie.
Er stand hastig auf. »Natürlich. Ich gehe«, sagte er.
»Du schläfst hier«, sagte sie. »Ich habe ein Sofa und ein Bett. Du nimmst das Bett.«
Sie hatte erwartet, dass er sich zieren würde, aber er nickte nur und sagte: »Danke.«
Sie ging ins Bad und wusch sich. Als sie zurückkam, lag er schon auf dem Bett. Bevor sie das Licht ausschaltete, fragte sie, warum er mitten in der Nacht zu ihr gekommen sei.
Er antwortete nicht.
Sie lag im Dunkel auf dem Sofa und hörte seine Stimme.
»Was hast du gesagt?«, fragte sie.
»Weil ich Angst habe.«
»Wovor?«
»Vor allem.«
Sie stand auf und trat an das Bett heran. Er kehrte ihr den Rücken zu, aber sie sah, dass er zitterte.
Sie streichelte über seinen Rücken.
»Schlaf gut«, sagte sie nach einer Weile, und während ihre Stimme in seinen Gedanken nachhallte, schlief er ein.
16
Alles war verschwommen, und ihr Kopf drehte sich.
Ihr Vater fragte, was passiert sei, und ihre Mutter weinte.
»Mir ist schlecht«, sagte sie.
»Bis du gefallen?«, fragte ihr Vater.
»Ich weiß nicht.«
»Du musst gefallen sein«, sagte er. »Wir haben einen Aufprall gehört, und als wir ins Zimmer kamen, hast du auf dem Boden gelegen.«
»Was machst du bloß für Sachen«, sagte ihre Mutter und umarmte sie.
»Mir ist übel«, sagte Margit.
»Ich rufe gleich morgen früh Järvenpää an, der soll dich untersuchen, bevor du in die Schule gehst«, sagte ihr Vater. »Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung.« Er hielt kurz inne. »Es riecht irgendwie komisch.«
»Kannst du dich erinnern, dass du gefallen bist?«, fragte die Mutter.
Margit schüttelte den Kopf.
»Kannst du dich an den Abend erinnern?«, fragte der Vater.
Margit nickte.
»Wir hatten Streit«, sagte die Mutter.
Margit versuchte zu lachen. »Ich kann mich gut erinnern, und vielleicht wäre es gar nicht schlecht, ich wäre auf den Kopf gefallen und hätte alles vergessen, was heute Abend war.«
Ihr Vater nahm unbeholfen ihre Hand und ihre Mutter drückte sie fest an sich.
»In Zukunft werden wir nicht mehr streiten«, sagte sie. »Nie mehr.«
17
Er sprach langsam, und ab und zu schwieg er einige Sekunden, als müsse er sich konzentrieren, um die richtigen Worte zu finden, aber in seinen Augen sah sie ein Feuer, das vorher nicht da gewesen war.
In seinen Augen sah sie die Brände, die er so bildhaft schilderte, als sei er dabei gewesen.
Dreimal hatte die Burg von Turku in Flammen gestanden, in den Jahren 1365, 1614 und 1941, und immer wurde sie wieder aufgebaut, größer und schöner.
Vesa drehte sich mit weit ausgebreiteten Armen und hatte zu jedem Gemälde, jeder alten Truhe, sogar zu den Tapeten an den Wänden eine Geschichte zu erzählen.
Er sah sie ungläubig an, als sie sagte, sie sei noch nie im Innern der Burg gewesen.
Als sie am Rand der Felseninsel saßen und ihre Beine im kalten Meerwasser baumelten, umarmte sie ihn und küsste seine Wange. Er wich zurück, stand auf und starrte sie an, als habe sie ihn
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