Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
Klavierspiel hatte sie von Zeit zu Zeit gestört.
    »Anna, lass gut sein!«, hatte sie gerufen, aber Anna hatte nur gegrinst und weitergespielt.
    Verblüffend eigentlich, dass Anna sich das erlauben konnte. Er selbst hatte, wenn seine Schwester in der Nähe war, immer ein ungutes Gefühl. Er konnte sich nicht erinnern, ihr jemals seinen Willen aufgezwungen zu haben. Arto Ojaranta, der Manager, Arto, der große Geschäftemacher, Arto, vor dem alle in der Firma Respekt und vermutlich ein wenig Angst hatten, machte sich ganz klein, wenn seine Schwester mal wieder Lust hatte, ihn zusammenzustauchen.
    Heute war sie gnädig gewesen. Überhaupt seit dieser Sache, so bezeichnete sie Lauras Tod inzwischen, seit dieser Sache mit Laura war sie sehr gnädig gewesen, allerdings kam sie seitdem auch wesentlich häufiger zu Besuch. Zu dieser Sache mit Laura hatte sie heute nur gesagt, dass die Polizei unerträglich träge sei und dass der Täter vermutlich nie gefasst werde. Der Täter war ihrer Auffassung nach ein armer Teufel, ein drogenabhängiger Einbrecher, der die Nerven verloren hatte.
    Arto Ojaranta verzichtete darauf, Gegenargumente zu dieser These zu liefern, weil er es hasste, mit seiner Schwester zu diskutieren, und weil er nach wie vor selbst nicht begriff, was passiert war.
    Er hatte nicht die geringste Ahnung.
    Wenn er überhaupt etwas ahnen konnte, dann war seine Vorstellung von der seiner Schwester gar nicht weit entfernt. Ein Einbrecher. Ein Fremder, irgendjemand, der sich vollkommen geirrt haben musste, denn niemand konnte einen Grund gehabt haben, Laura zu töten.
    Spätestens wenn der Gedanke kam, dass dieser Einbrecher offensichtlich einen Schlüssel gehabt und darauf verzichtet hatte, Geld oder andere Wertgegenstände zu entwenden, durchtrennte Arto Ojaranta den Gedankenfaden.
    Er hatte begriffen, dass es nichts brachte, über Lauras Tod nachzudenken, denn Lauras Tod war unerklärlich.
    Das war etwas, das er immer gut gekonnt hatte. Er hatte immer schnell begriffen, wenn etwas nichts brachte, er hatte begriffen und die Konsequenzen gezogen. Wenn Verhandlungen ins Stocken gerieten, wenn sie die falsche Richtung nahmen, wenn es einfach keinen Sinn mehr hatte, wusste er, was zu tun war: abbrechen.
    Er dachte nicht mehr allzu häufig an Laura. Er vermisste sie. Er hatte in den ersten Tagen nach ihrem Tod, in den Tagen nach der Beerdigung festgestellt, dass sie wichtig für ihn gewesen war. Es hatte ihn erstaunt, das festzustellen, er hatte es gar nicht bemerkt, als sie noch gelebt hatte.
    Er vermisste sie, er hatte immer dieses unbestimmte Gefühl von Leere, aber auch das ließ nach. Am Wochenende hatte er seine Freundin in Stockholm besucht, und während er in ihre straffen Schultern gebissen hatte, hatte er fast so etwas wie Erleichterung gefühlt.
    Arto Ojaranta wandte sich von der Straße ab und ging durch das Schneetreiben auf das Haus zu. Während er lief, spürte er wieder die Leere, aber er dachte weniger an Laura, mehr an Alisa, seine schwedische Freundin. Er hätte sich sehr gefreut, wenn sie jetzt im Schlafzimmer gelegen hätte, nackt, erwartungsvoll. Vielleicht würde er am Wochenende schon wieder nach Stockholm fahren. Hoffentlich hatte sie Zeit und Lust, ihn zu sehen.
    Hoffentlich kam Alisa nie auf die Idee, ihn zu verlassen.
    Arto Ojaranta ging durch das Schneetreiben auf sein blaues Haus zu und fühlte diese unbestimmte Angst, die er seit Lauras Tod häufig fühlte. Sicher, er hatte die Schlösser auswechseln lassen. Niemand konnte sich Zutritt zu seinem Haus verschaffen, und niemand hatte ein Interesse daran, ihm etwas anzutun. Das war ihm vollkommen klar, aber solange Lauras Tod ein Rätsel blieb, würde wohl auch dieses leise Unbehagen bleiben, das sich immer einstellte, wenn Ruhe einkehrte, wenn es dunkel wurde.
    Arto Ojaranta stemmte sich gegen den Wind, nahm mit zwei langen Schritten die Treppenstufen, die zur Eingangstür führten.
    Er schloss die Tür hinter sich.
    Es war angenehm warm im Haus, aber die Stille störte ihn. Wie oft hatte er sich in den vergangenen Stunden gewünscht, seine Schwester werde endlich gehen und ihre klimpernde Anna mitnehmen. Jetzt wünschte er sich, seine Schwester würde noch wichtigtuerisch auf ihn einreden und Anna würde vor sich hinsummen und auf die Tasten einschlagen.
    Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich vor den Fernseher. Die Nachrichten liefen. Das war gut. Die Nachrichten hatten etwas Beruhigendes. Die klare Stimme des Sprechers, das Gefühl, auf

Weitere Kostenlose Bücher