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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Polizisten.
    Als der Polizeiwagen vor seinem Cabriolet zum Stillstand kam, verdunkelte sich das Bild, als hätte jemand eine blaue Folie über die Szene gelegt. Es war so dunkel, dass er das Gesicht des Polizisten nicht erkennen konnte.
    Der Polizist stieg aus und kam langsam, geduldig auf ihn zu.
    Daniel spürte, dass dieser Polizist Bescheid wusste, es hatte gar keinen Sinn, ihn zu belügen, aber er würde es trotzdem tun, er musste es tun, er konnte gar nicht anders.
    Weil er die Wahrheit selbst nicht kannte.
    Der Polizist war freundlich, aber bestimmt und gab ihm mit jeder Bewegung zu verstehen, dass er Bescheid wusste, dass Daniel keine Chance mehr hatte.
    Er bat Daniel, den Kofferraum seines Wagens zu öffnen.
    Daniel begann zu reden. Er hörte nicht, was er sagte, aber er hatte noch nie so viel und so schnell geredet. Er duzte den Polizisten, er tat so, als seien sie gute Freunde. Er wollte dem Ganzen eine komische Wendung geben, aber der Polizist ging nicht darauf ein.
    Er starrte nur auf den Kofferraum und wartete.
    Daniel wusste nicht, ob der Mensch, den er getötet hatte, darin lag. Er wusste nicht, wo dieser Mensch war, wo er die Leiche versteckt hatte.
    Er öffnete den Kofferraum.
    Er selbst konnte nichts erkennen, weil es zu dunkel war, aber der Polizist schien zufrieden zu sein. Er nickte und sagte, er könne den Kofferraum wieder schließen und weiterfahren.
    Das tat Daniel, und als er im Wagen saß, veränderte sich das Bild, aus der Wüste wurde ein dichter Wald. Er fuhr auf einem schmalen Weg ins Dunkel. Er wusste, dass hier, irgendwo in diesem Wald, die Leiche begraben lag, er erinnerte sich jetzt, sie begraben zu haben, ohne das Bild – sich selbst, grabend – vor Augen zu haben.
    Während er fuhr, spähte er nach links und rechts in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden, irgendetwas, an das er sich erinnerte.
    Er musste die Leiche unbedingt vor der Polizei finden.
    Er fuhr immer weiter ins Dunkel, aber gerade als er fast gar nichts mehr sah, war der Weg hinter ihm plötzlich hell beleuchtet, Scheinwerfer strahlten seinen Wagen an, und ein Mann rief etwas, das er nicht begriff. Der Mann war sehr erregt. Er schrie, aber die Worte waren vollkommen unverständlich, waren es überhaupt Worte?
    Daniel begriff nicht und erwachte.
    Er brauchte einige Sekunden, dann wich die Angst. Er ließ seinen Kopf auf das Kissen zurücksinken und wartete, bis die Realität seinen Traum ganz eingeholt hatte.
    Er hörte noch immer die Stimme, die diese unverständlichen Worte sprach. Die Stimme war real, sie gehörte dem finnischen Polizisten, Joentaa. Daniel richtete sich auf und sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Er konzentrierte sich auf Joentaas Stimme. Joentaa telefonierte. Daniel stand auf, ging auf wackligen Beinen zur Tür und öffnete. Joentaa warf gerade seinen Mantel über die Schultern.
    »Was ist?«, fragte Daniel.
    Joentaa wechselte mühelos ins Deutsche. »Nichts. Ich muss noch mal weg.«
    »Warum?«
    »Es ist etwas passiert, das uns weiterbringen könnte.«
    »Ich möchte mitkommen.«
    Zu seiner Überraschung hatte Joentaa nichts dagegen.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte er nur.
    »Moment.« Daniel ging ins Schlafzimmer und zog seine Jacke an, die über dem Stuhl hing, und seine Schuhe, die am Bett standen. »Fertig«, sagte er.
    Joentaa stand schon an der Haustür. Als Daniel auf ihn zuging, sah er, dass der Polizist starr an ihm vorbeisah, abwesend oder vollkommen konzentriert, er konnte den Blick nicht einordnen.
    »Was ist denn?«, fragte Daniel, als sie im Wagen saßen.
    Es war eiskalt, der Schneefall dicht. Daniel dachte, dass sie bald eingeschneit sein würden in diesem Wald. Joentaa brauchte einige Versuche, um den Motor zu starten, dann steuerte er das Auto auf den Waldweg.
    »Was ist passiert?«, fragte Daniel noch einmal.
    »Ein Bild, das der Mörder gestohlen hat, hängt wieder an seinem Platz«, sagte Joentaa.
    Daniel sah ihn fragend an, aber Joentaa schien alles gesagt zu haben, was er für wichtig hielt. Er fuhr langsam und geduldig, trotz der Hektik, trotz der offensichtlichen Eile, die er hatte.
    Sie fuhren minutenlang schweigend.
    Daniel wollte gerade neu ansetzen, als Joentaa scharf abbremste und auf dem Schneefilm die Kontrolle über den Wagen verlor. Der Wagen drehte sich mehrfach, Daniel hatte das Gefühl, sie würden gleich abheben und sich überschlagen, er hörte sich schreien.
    Sie kamen nach endlos langen Sekunden auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand.
    Daniel

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